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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit
Autoren: Vampira VA
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den Gang, der sich dahinter erstreckte. Er war verlassen. Sie lauschte, aber es war kein Laut zu hören. Mühsam versuchte sie sich zu orientieren, aber es fiel ihr genauso schwer wie jeder andere Gedanke auch. Der Gang war dunkel, aber ihre nachtempfindlichen Augen halfen ihr, sich zurechtzufinden.
    Schließlich erreichte sie das Sanktuarium. Aber wo sich sonst Schüler aufhielten und kostbare Einsichten aus den Lehren ihres Meisters Chiyoda zu gewinnen suchten, herrschte die gleiche Verlassenheit wie überall in diesem Kloster.
    Irgend etwas stimmt hier nicht!
    Es war nicht allzu schwierig, das zu bemerken. Selbst mit ihrem umnebelten Kopf spürte Nona, daß alles anders war als sonst. Welches Spiel spielte Chiyoda mit ihr?
    Sie öffnete weitere Türen, durchstreifte Gänge und Räume, ohne auf irgend jemanden zu stoßen. Es war, als hätten sich die Bewohner des Klosters in Luft aufgelöst wie Chiyoda selbst.
    Vor ihr tauchte die Eingangspforte auf. Sie war nicht verschlossen und ließ sich leicht öffnen. Nona schaute noch einmal den Gang entlang zurück, den sie gekommen war. Kurz glaubte sie, einige Schatten in der Dunkelheit auszumachen, aber es schien nur ein Spiel ihrer überreizten Nerven zu sein. Kein Instinkt ihrer wölfischen Seite schlug darauf an, daß sich irgendeine Person in dem Kloster befand.
    Wo auch immer sie also die Antworten finden würde, die ihr Chiyoda verweigert hatte, sie befanden sich nicht innerhalb dieser Mauern, sondern außerhalb.
    Nona überschritt die Schwelle - und augenblicklich glaubte sie wieder zu versinken. Schwarze Fluten drohten sie zu überschwemmen, aber sie spürte keine Feuchtigkeit. Es war einfach nur Schwär -ze.
    Nona versuchte zurückzuwanken, aber wieder wurde ihr Körper von einem Sog erfaßt, der ihn mit sich fortzog.
    Nicht wieder! Nicht wieder!
    Instinktiv nahm sie ihre Raubtierhaltung ein und versuchte mit allen Vieren einen wie auch immer gearteten Boden zu erreichen.
    Augenblicklich spürte sie festen Grund unter sich. Die alles verschlingende Dunkelheit ging in ein waberndes Etwas über, das sich innerhalb weniger Augenblicke ganz auflöste.
    Die Realität hatte sie wieder fest im Griff!
    Nona erhob sich. Sie spürte mit jeder Faser, daß dies die Wirklichkeit war, aber dennoch war es kaum zu begreifen:
    Das Kloster war verschwunden.
    Ebensowenig befand sie sich in der Mandschurei.
    Vor ihr lag eine verwahrlost aussehende Straße, von Unrat übersät. Papierfetzen wurden von einem leichten warmen Wind davongeblieben. Dies war das einzige, was sich bewegte. Nirgendwo konnte sie eine Menschenseele ausmachen. Hinter den Fenstern der mehrgeschossigen Häuser brannten keine Lichter. Die meisten Scheiben waren zerborsten.
    Nonas Selbsterhaltungsinstinkte erwachten. Vorsichtig bewegte sie sich im Schutz der Schatten vorwärts. Die gelbe Sichel des zunehmenden Mondes verbreitete nur spärlich Licht. Wie geschaffen, die Dunkelheit wie einen wärmenden Mantel umzulegen.
    Ein knarrender, monotoner Laut erreichte Nonas Ohren. Es war ein Straßenschild, das, nur noch an einer Schraube hängend, hin und her schwang. EAST BROADWAY las sie erstaunt.
    Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sie kannte diese Stadt! Sie befand sich zweifellos in New York! Irgendwo in der Lower East Side.
    Aber es war nicht das New York, das sie kannte. Es war ein New York der Alpträume!
    *
    Kierszan warf sich unruhig hin und her. Nicht, daß ihm die Härte des Lagers, auf dem er nächtigte, noch etwas ausgemacht hätte. Es waren die Schreie, die von weit entfernt an seine Ohren drangen.
    Er spürte die Angst der anderen, die mit ihm in diesem Raum zusammengepfercht waren, wie eine Faust in seinem Magen. Warum ließen sie all das geschehen? Wann endlich brachten sie den Mumm auf, gegen ihr jämmerliches Los zu rebellieren? Seine Finger verkrampften sich zu Fäusten.
    Er fühlte, wie eine Hand nach seinem Arm tastete und ihn beruhigend drückte.
    »Ganz ruhig, Kierszan«, flüsterte eine Stimme auf ihn ein. Es war Rudnik.
    Er und Rudnik hatten sich in diesem Lager kennengelernt und sich angefreundet. Kierszan war zehn Jahre älter als Rudnik. Wahrscheinlich fühlte er sich deswegen für ihn verantwortlich. Zudem erinnerte er ihn an seinen jungen Bruder, der vor einigen Jahren bei einem Kampf ums Leben gekommen war.
    Kierszan war vom ersten Moment an für Rudnik eingetreten, der schwächlich und verängstigt wirkte. Er war aufgrund seiner geringen Größe oft den Hänseleien und
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