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Endstation

Endstation

Titel: Endstation
Autoren: Michael Crichton
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Muskelkrämpfen erzeugen, oder an anderer Stelle bewirken, daß dem Patienten Schaum vor dem Mund steht und so fort. In verschiedenen Hirnabschnitten können sich also extrem unterschiedliche Wirkungen ergeben. Liegt solch ein Erregungszentrum nun im Schläfenlappen des Gehirns, wie im Fall von Mister Benson, dann haben wir es mit einer sogenannten psychomotorischen Epilepsie zu tun ; sie verursacht psychische Krämpfe im Gegensatz zu Muskelkrämpfen. Es entstehen seltsame abwegige Gedankenverläufe, die vielfach zu Gewalttätigkeiten führen, denen eine charakteristische Aura vorhergeht, in manchen Fällen eine Geruchswahrnehmung.«
    Benson hörte aufmerksam zu und nickte.
    Ellis fuhr fort: »Wir wissen aus der Arbeit vieler Forscher, daß es möglich ist, einen Anfall zu unterbinden, indem man auf die richtige Gehirnpartie einen Elektroschock ausübt. Der Anfall beginnt langsam. Es dauert einige Sekunden, manchmal eine halbe Minute, ehe sich der Anfall auswirkt. Ein in diesem Augenblick einsetzender Schock wirkt dem Anfall entgegen und verhindert ihn.«
    Er durchkreuzte an der Tafel seine konzentrischen Kreise. Dann zeichnete er ein neues Gehirn, skizzierte den Kopf drum herum und einen Hals. »Wir stehen hier vor zwei Problemen«, sagte er. »Erstens: Welches ist die richtige Stelle für den Elektroschock? Wir wissen ungefähr, daß sie im Bereich des Mandelkerns liegt, im Anhang des sogenannten Limbischen Systems. Mister Benson bekommt in diesen Bereich morgen früh vierzig Elektroden eingesetzt.«
    Er zeichnete zwei Linien, die ins Gehirn führten. »Unser zweites Problem besteht darin, zu erfahren, wann ein Anfall beginnt. Wir müssen ja wissen, wann wir den heilsamen Elektroschock anwenden sollen. Glücklicherweise kann man über dieselben Elektroden, die wir zur Erteilung des Schocks benutzen, auch die elektrischen Vorgänge des Gehirns ableiten. Einem jedem Anfall gehen ganz typische elektrische Veränderungen voraus.«
    Ellis machte eine Pause, sah hinüber zu Benson und dann hinauf zu seinen Zuschauern.
    »Wir haben es hier mit einer Rückkopplung zu tun. Wir benutzen dieselben Elektroden zur Signalisierung eines neuen Anfalls und zur Erteilung des Elektroschocks. Ein Computer wird diesen Feed-back-Mechanismus steuern.«
    Er malte auf seiner Skizze ein kleines Quadrat in die Nackengegend.
    »Die Mitarbeiter der Neuropsychiatrischen Abteilung haben einen Computer entwickelt, der die elektrischen Stromverläufe im Hirn überwacht und dann, wenn er einen beginnenden Anfall feststellt, dem verursachenden Hirnanteil einen elektrischen Schlag erteilt. Dieser Computer hat etwa Briefmarkengröße und wiegt nur wenige Gramm. Er wird am Hals des Patienten unter die Haut gepflanzt.«
    Er zeichnete einen länglichen Gegenstand unterhalb des Halses ein und verband ihn mit dem Quadrat des Computers.
    »Die Stromquelle des Computers ist eine Handler-PP-J-Plutoniumeinheit, die an der Schulter ebenfalls unter die Haut gepflanzt wird. Dadurch wird der Patient vollkommen autonom. Diese Energiequelle versorgt ihn zuverlässig zwanzig Jahre lang mit Strom.«
    Er zeigte mit seiner Kreide auf die verschiedenen Teile seiner Skizze. »Das ist die komplette Feed-back-Schleife: Vom Hirn über Elektroden, Computer und Energiequelle zurück zum Hirn. Ein in sich geschlossener Kreis, ohne äußere Komponenten.«
    Er drehte sich zu Benson um, der dem Vortrag mit unpersönlichem Interesse gefolgt war.
    »Irgendwelche Bemerkungen, Mister Benson?«
    Janet Ross ärgerte sich. Ellis setzte dem Mann wirklich schwer zu. Diese Frage war selbst bei einem Chirurgen sadistisch zu nennen.
    »Nein«, antwortete Benson. »Ich habe dazu nichts zu sagen.« Er gähnte.
    Als Benson hinausgeschoben wurde, begleitete ihn Janet Ross. Das war eigentlich unnötig, aber sie machte sich Sorgen um seine Verfassung. Sie war auch ein wenig schuldbewußt wegen Ellis’ Behandlung.
    »Wie geht’s Ihnen?«
    »Ich fand das sehr interessant.«
    »Inwiefern?«
    »Nun, es war eine rein medizinische Diskussion. Ich hätte einige philosophische Akzente erwartet.«
    »Wir sind eben praktisch veranlagt«, sagte sie leichthin.
    »Und wir haben es hier mit einem praktischen Problem zu tun.«
    Benson lächelte. »Bei Newton war es genauso. Oder gibt es etwas Praktischeres als die Frage, warum ein Apfel auf den Boden fällt?«
    »Sehen Sie darin denn wirklich einen philosophischen Sinn?«
    Benson nickte. Er wurde ernst. »Ja«, sagte er. »Und Sie sehen ihn auch. Sie tun nur
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