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Endstation

Endstation

Titel: Endstation
Autoren: Michael Crichton
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statt. Sondervisiten wurden nur selten einberufen. Es war technisch zu schwierig, alle Ärzte zusammenzubekommen. Aber jetzt saßen sie dicht gedrängt in den Zuschauerreihen; weiße Jacken und bleiche Gesichter sahen auf Ellis herab. Er schob sich die Brille auf dem Nasenrücken hoch und sagte: »Viele von Ihnen werden schon wissen, daß die Neuropsychiatrische Forschungsstation morgen früh erstmalig an einem Menschen einen Eingriff vornehmen wird, den wir ›Stufe drei‹ nennen.«
    Die Zuhörer verharrten schweigend und regungslos. Janet Ross stand nahe der Tür und fand diesen Mangel an Reaktion recht seltsam. Dennoch war diese Haltung nicht überraschend. Jeder im Krankenhaus wußte, daß die Neuropsychiatrie für diesen Eingriff nur auf den geeigneten Patienten gewartet hatte.
    Ellis fuhr fort: »Ich muß Sie bitten, sich mit Fragen zurückzuhalten, wenn nachher der Patient vorgestellt wird. Er ist ein sehr sensibler Mann und leidet unter einer schweren Störung. Bevor wir ihn hereinbringen, möchten wir seinen psychiatrischen Werdegang darstellen. Die behandelnde Psychiaterin, Frau Doktor Ross, wird Ihnen eine zusammenfassende Darstellung geben.« Ellis nickte ihr zu. Sie trat in die Mitte des Raumes.
    Als sie in das steile Halbrund hinaufsah zu den Reihen von Gesichtern, fühlte sie eine momentane Beklemmung. Janet Ross war eine große, schlanke, dunkelblonde Schönheit. Selbst kam sie sich manchmal zu dick und knochig vor und wünschte sich, weicher, weiblicher zu sein. Aber sie wußte auch, daß sie eine auffallende Erscheinung war, und hatte mit ihren dreißig Jahren nach zehnjähriger Arbeit in einem von Männern beherrschten Beruf gelernt, ihr Äußeres wirksam einzusetzen.
    Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken, holte tief Luft und gab ihre Zusammenfassung rasch, knapp und präzise, wie es bei diesen Vorstellungen erwartet wurde. »Harold Franklin Benson ist vierunddreißig Jahre alt, geschieden, Computerfachmann. Er war bis vor zwei Jahren völlig gesund. Dann wurde er auf der Santa-Monica-Autobahn in einen Verkehrsunfall verwickelt. Wie lange er danach bewußtlos lag, ist unbekannt. Er wurde über Nacht zur Beobachtung ins nächste Krankenhaus gebracht und am folgenden Tag als gesund entlassen. Sechs Monate lang ging es ihm gut, dann setzten die sogenannten ›Blackouts‹ ein.«
    Immer noch wurde kein Wort gesprochen. Ausdruckslose Gesichter sahen auf sie herab.
    »Diese Bewußtseinstrübungen dauerten mehrere Minuten und wiederholten sich etwa alle Monate. Sie wurden häufig eingeleitet durch eigenartige und unangenehme Geruchsempfindungen. Oft kam es zu diesen ›Blackouts‹ nach Alkoholgenuß. Der Patient konsultierte seinen Arzt, der Überarbeitung feststellte und empfahl, den Alkoholgenuß zu mindern. Benson richtete sich danach, aber die Bewußtseinstrübungen wiederholten sich.
    Im vorigen Jahr - also ein Jahr nach dem Unfall - bemerkte er, daß die Bewußtseinsstörungen sich häuften und auch länger andauerten. Oft fand er sich in einer unbekannten Umgebung wieder. In mehreren Fällen hatte er Platzwunden und Beulen, seine Kleidung war zerrissen, was auf Handgreiflichkeiten hinwies. Er konnte sich jedoch nie daran erinnern, was während der Bewußtseinsstörung vorgefallen war.«
    Einige Zuhörer nickten. Sie begriffen, was ihnen da vorgestellt wurde: Die typische Krankengeschichte einer Seitenlappenepilepsie. Aber das Entscheidende mußte noch kommen.
    Sie fuhr fort: »Freunde erklärten dem Patienten, er benehme sich anders, aber er gab nichts auf ihre Meinung. Mit der Zeit verlor er den Kontakt zu den meisten seiner Freunde. Etwa um dieselbe Zeit - also vor einem Jahr -machte er bei seiner Arbeit eine Entdeckung, die er als monumental bezeichnet. Benson ist Computerfachmann und Spezialist auf dem Gebiet künstlicher Lebensäußerungen oder maschineller Intelligenz. Im Verlauf seiner Arbeit will er entdeckt haben, daß Maschinen mit dem Menschen in Wettbewerb treten und letztlich die Herrschaft über die Welt übernehmen werden.«
    Jetzt wurde unter den Zuhörern geflüstert. Das interessierte ganz besonders die Psychiater. Sie sah in der obersten Reihe ihren alten Eehrer Manon, der seinen Kopf in beide Hände stützte. Manon wußte Bescheid.
    »Benson teilte seinen noch verbliebenen Freunden diese Entdeckung vertraulich mit. Sie ärgerten ihn mit dem guten Rat, einen Psychiater aufzusuchen. Im letzten Jahr wurde er immer sicherer in der Erkenntnis, daß die Maschinen sich zu
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