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Endstation

Endstation

Titel: Endstation
Autoren: Michael Crichton
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einer Machtübernahme verschworen haben. Nun wurde der Patient vor sechs Monaten von der Polizei unter dem Verdacht verhaftet, einen Flugzeugmechaniker niedergeschlagen zu haben. In Ermangelung einer einwandfreien Identifikation wurde die Anklage fallengelassen. Diese Episode erschütterte Benson jedoch und veranlaßte ihn schließlich, sich doch in psychiatrische Behandlung zu begeben. In ihm war der vage Verdacht entstanden, vielleicht wirklich der Mann gewesen zu sein, der den Mechaniker blutig geschlagen hatte. Zwar schien ihm die Sache undenkbar, aber der quälende Verdacht blieb. Er wurde vor vier Monaten, also im November 1970, in die Neuropsychiatrische Forschungsabteilung des Universitätskrankenhauses eingeliefert. Aufgrund seiner Krankengeschichte - Kopfverletzung, periodisch auftretende Gewalttätigkeit mit vorhergehenden eigentümlichen Geruchsempfindungen - vermutete man bei ihm psychomotorische Epilepsie. Wie Sie wissen, nimmt unsere Abteilung nur Patienten mit organisch bedingten behandlungsfähigen Verhaltensstörungen auf. Eine neurologische Untersuchung erbrachte ein ganz normales Ergebnis. Auch das Elektroenzephalogramm war völlig normal. Der Kurvenverlauf der Gehirnaktivität ließ keine pathologischen Veränderungen erkennen. Die Ableitungen wurden nach Alkoholgenuß wiederholt, worauf anomale Kurvenverläufe sichtbar wurden. Das EEG zeigte Krampftätigkeit im rechten Schläfenlappen des Hirns. Damit stand die Diagnose der psychomotorischen Epilepsie im ersten Stadium fest.«
    Sie holte Luft und ließ den Zuhörern ein wenig Zeit, das bisher Gesagte zu verdauen.
    Dann fuhr sie fort: »Der Patient ist ein intelligenter Mensch. Seine Krankheit wurde ihm erläutert. Man teilte ihm mit, daß er durch den Verkehrsunfall eine Hirnverletzung erlitten habe, die zu einer Form der Epilepsie geführt hat, die psychische und nicht körperliche Krampfanfälle auslöst, also geistige Umnachtungen mitewalttätigkeiten im Gefolge. Man teilte ihm mit, diese Krankheit sei nicht ungewöhnlich und auch zu behandeln. Daraufhin wurde die medikamentöse Behandlung aufgenommen. Vor drei Monaten wurde Benson wegen gefährlicher Körperverletzung festgenommen. Das Opfer war eine vierundzwanzigj ährige Striptease-Tänzerin, die ihre Klage später zurückzog. Das Krankenhaus intervenierte zu seinen Gunsten. Vor einem Monat wurde die experimentelle Medikation mit Morladon, p-Amino-Penzadon und Triamilin abgeschlossen. Bensons Zustand zeigte keinerlei Besserung. Das ließ auf das zweite Stadium schließen, nämlich einer drogenresistenten psychomotorischen Epilepsie. Er wurde auf eine ›Stufe-drei-Operation‹ vorbereitet. Und das ist es, worüber wir heute sprechen.«
    Sie hielt einen Augenblick inne. Dann sagte sie: »Bevor ich ihn hereinhole, möchte ich noch hinzufügen, daß er gestern nachmittag einen Tankwart angefallen und übel zugerichtet hat. Die Operation ist für morgen angesetzt. Wir haben die Polizei veranlaßt, ihn uns zu treuen Händen zu übergeben. Juristisch betrachtet, steht er noch unter der Anklage der schweren Körperverletzung.«
    Es war ganz still in dem Auditorium. Sie holten Benson herein.
    Benson saß in einem Rollstuhl vor den Türen zum Auditorium, eingehüllt in den blau-weiß gestreiften Bademantel des Krankenhauses. Er lächelte Janet Ross entgegen. »Hallo, Frau Doktor Ross.«
    »Hallo, Harry«, sie lächelte zurück. »Wie geht es Ihnen?«
    Es war eine Höflichkeitsfloskel. Ihre langjährige psychiatrische Praxis ließ sie genau erkennen, wie er sich fühlte: Er war nervös und verängstigt, Schweiß perlte auf der Oberlippe, die Schultern waren eingezogen, die Hände im Schoß verkrampft.
    »Mir geht’s prima«, sagte er.
    Hinter Benson standen Morris und ein Polizist. Sie fragte Morris: »Muß er mit hereinkommen?«
    Bevor Morris antworten konnte, sagte Benson in unbeschwertem Ton: »Er begleitet mich überallhin.«
    Der Polizist nickte verlegen.
    »Na, gut«, sagte sie.
    Sie öffnete die Türen, dann schob Morris den Rollstuhl in die Mitte des Auditoriums hinüber zu Ellis. Der drückte Benson die Hand.
    »Freut mich, Sie zu sehen, Mister Benson.«
    »Hallo, Doktor Ellis.«
    Morris drehte ihn so herum, daß er mit dem Gesicht zu den Zuhörern saß. Janet Ross nahm an der Seite Platz und sah hinüber zu dem Polizisten, der an der Tür stehengeblieben war und sich Mühe gab, möglichst unauffällig zu wirken. Ellis stellte sich neben Benson und betrachtete mit ihm eine beleuchtete
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