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Endstation

Endstation

Titel: Endstation
Autoren: Michael Crichton
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einfach so, als sähen Sie ihn nicht.«
    Sie blieb mitten auf dem Flur stehen und sah Benson nach, der zum Lift geschoben wurde. Neben ihm standen Morris und der Polizist. Ungeduldig drückte Morris ein paarmal auf den Knopf, dann kam endlich der Aufzug, und sie stiegen ein. Benson winkte ihr noch einmal zu, dann schloß sich die Tür.
    Sie kehrte ins Auditorium zurück.
    »… befindet sich seit zehn Jahren in der Entwicklung«, sagte Ellis gerade. »Zuerst war er für einen Herzschrittmacher bestimmt, bei dem das Auswechseln der Batterien etwa jedes Jahr einen kleinen Eingriff erforderlich machte. Das ist lästig für Arzt und Patient. Die Atomkraftquelle ist absolut zuverlässig und hat eine hohe Lebensdauer. Falls Mister Benson so lange lebt, müßten wir sie frühestens 1990 auswechseln.«
    Janet Ross bekam gerade noch die nächste Frage mit: »Wie wollen Sie feststellen, welche der vierzig Elektroden einen Anfall verhindert?«
    »Wir werden alle einsetzen«, sagte Ellis, »und auch den Computer anschließen. Aber wir werden vierundzwanzig Stunden lang keine der Elektroden verschweißen. Einen Tag nach der Operation werden wir über Funk jede der Elektroden aktivieren und dann feststellen, welche die besten Ergebnisse bringt. Diese wird dann unter Fernkontrolle verschweißt.«
    Hoch oben auf dem Rang hustete eine bekannte Stimme und bemerkte: »Diese technischen Einzelheiten sind zwar interessant, aber sie scheinen mir an der Sache vorbeizugehen. «
    Ross sah hinauf zu Manon. Manon war fast fünfundsiebzig, ein emeritierter Professor der Psychiatrie, der sich im Krankenhaus nur noch selten blicken ließ. Dann wurde er zumeist als etwas skurriler Greis betrachtet, der seinen Höhepunkt längst überschritten und den Kontakt zur modernen Wissenschaft verloren hat.
    »Ich habe den Eindruck«, fuhr Manon fort, »daß der Patient psychotisch ist.«
    »Das ist ziemlich hart ausgedrückt«, sagte Ellis.
    »Vielleicht«, gab Manon zu, »aber zumindest ist seine Persönlichkeit erheblich gestört. Diese verschwimmende Grenze zwischen Menschen und Maschinen bereitet mir Sorge.«
    »Die Störung seiner Persönlichkeit ist Bestandteil seiner Krankheit«, erklärte Ellis. »In einer erst kürzlich erschienenen Arbeit erklärten Harley und seine Mitarbeiter in Yale, daß fünfzig Prozent aller Schläfenlappenepileptiker gleichzeitig an Persönlichkeitsstörungen leiden, und zwar unabhängig von der Anfalltätigkeit.«
    »Durchaus möglich«, sagte Manon in leicht gereiztem Ton. »Die Störung gehört also mit zur Krankheit und ist unabhängig von den Anfällen. Aber wird sie durch Ihr Verfahren geheilt?«
    Janet Ross freute sich innerlich. Manon sprach genau ihre Gedanken aus.
    »Nein«, sagte Ellis. »Vermutlich nicht.«
    »Mit anderen Worten: Die Operation verhindert zwar weitere Anfälle, beseitigt aber nicht seine Wahnvorstellungen. «
    »Stimmt«, sagte Ellis. »Vermutlich nicht.«
    »Dann gestatten Sie mir doch bitte, etwas näher darauf einzugehen«, sagte Manon stirnrunzelnd. »Das ist eine Denkweise der Neuropsychiatrie, die mir große Sorgen bereitet. Ich will damit nicht Sie persönlich treffen. Es handelt sich um ein allgemeines Problem der Medizin. Wenn wir beispielsweise in der Notaufnahme einen Selbstmordversuch durch Überdosis eines Schlafmittels bekommen, dann pumpen wir dem Patienten den Magen aus, halten ihm einen Vortrag und schicken ihn wieder nach Hause. Das ist zwar eine Behandlung, aber kaum als Heilung zu bezeichnen. Früher oder später kommt dieser Patient wieder. Durch Magenauspumpen kann man keine Depression heilen. Lediglich die Überdosis an Schlafmitteln beseitigen.«
    »Ich verstehe zwar, was Sie sagen wollen, aber … «
    »Ich möchte Sie auch an die Erfahrungen erinnern, die das Krankenhaus mit Mister L. machte. Erinnern Sie sich an den Fall?«
    »Ich glaube kaum, daß sich dieser Fall hier anführen läßt«, sagte Ellis. Er wurde immer zurückhaltender.
    »Ich bin nicht so sicher«, sagte Manon. Da er mehrere erstaunte Gesichter bemerkte, die sich ihm zuwandten, fuhr er erklärend fort: »Der Fall von Mister L. erregte vor einigen Jahren hier großes Aufsehen. Es handelte sich damals um einen neununddreißigj ährigen Mann mit einer beidseitigen Nierenstörung im letzten Stadium. Chronische Glomerulonephritis. Man sah in ihm den geeigneten Kandidaten für eine Transplantation. Da wir nur eine beschränkte Anzahl solcher Transplantationen durchführen konnten, wählte eine Kommission die
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