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Endstation Oxford

Endstation Oxford

Titel: Endstation Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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Stimme.
    »Hoffentlich hält das Wetter wenigstens noch für die nächste Stunde«, erwiderte eine sanftere Stimme.
    »Adela, du bist und bleibst eine unverbesserliche Optimistin!«
    »Wir hatten einen miserablen Sommer und einen schrecklich windigen Herbst. Man konnte so gut wie nie ohne Strickjacke gehen.«
    »Typisch Estelle, sich derart unvorhersehbares Wetter auszusuchen.«
    Jetzt erst wurde Kate klar, dass die beiden alten Damen tatsächlich über das Wetter gesprochen hatten. Ein wenig schämte sie sich, dass sie der Meinung gewesen war, es ginge um Estelles Ehe.
    »Warum reden ältere Leute eigentlich immer über das Wetter?«, wollte Kate von Jon wissen. »Andere Themen scheint es kaum zu geben.«
    »Kommt darauf an. Ich habe sie auch schon darüber sprechen hören, wie erschreckend teuer alles geworden ist. Oder sie geben damit an, dass sie ihre Altersgenossen überlebt haben. Und oft geht es auch um den Krieg.«
    Sie durchschritten einen mit Rosen geschmückten Torbogen, hinter dem ein Platzanweiser stand und fragte: »Braut oder Bräutigam?«
    »Braut«, antwortete Jon, während Kate sich mit einem Leitblatt für den Gottesdienst bewaffnete. Sie setzten ihren Weg durch das Kirchenschiff an vielen Rosen vorbei fort und suchten sich Plätze in der Mitte der linken Seite.
    »Es ist ganz anders, als ich erwartet hatte«, flüsterte Kate Jon zu.
    »Offenbar hält es sogar Estelle bei ihrer Hochzeit mit bewährten Traditionen.«
    Es stellte sich heraus, dass Estelle – der Plagegeist sämtlicher Verleger und die ungekrönte Königin zahlreicher Buchauktionen – über ganz normale Eltern und so viele Freunde und Bekannte verfügte, dass die durchaus nicht kleine Pfarrkirche ihres Heimatortes in Buckinghamshire bis zum letzten Platz gefüllt war.
    Während Jon das Leitblatt überflog, beobachtete Kate die anderen Gäste. Estelles Fans waren nicht nur erheblich zahlreicher als die von Peter, sondern auch deutlich besser gekleidet. Die Frauen trugen Designermäntel und auffällige, keck über einem Auge sitzende Hüte mit nickenden Federn, ihre männlichen Begleiter waren gut aussehend und schienen durchweg wohlhabend zu sein. Die meisten waren aus London angereist und wirkten neben der älteren Verwandt- und Bekanntschaft wie Paradiesvögel zwischen Spatzen.
    Adela und Muriel, die beiden älteren Damen, deren Gespräch Kate aufgeschnappt hatte, wurden zu einer Bank ganz vorn geleitet. Sie verdankten diese Platz dem Umstand, dass Muriel mit der Braut verwandt und Adela eine sehr alte Freundin von Estelles Vater war. Adela ärgerte sich, dass sie sich mit Muriel von Oxford aus ein Taxi hatte teilen müssen, aber in diesen lausigen Zeiten musste man sehen, wo man blieb. Allerdings würde sie jetzt den gesamten restlichen Tag mit Muriel verbringen müssen. Das war insofern besonders ärgerlich, als Muriel nun mit Sicherheit all die kleinen Sparmaßnahmen registrieren würde, zu denen Adela sich in letzter Zeit gezwungen sah. Wenigstens muss ich nicht in einer so hässlichen, schäbigen Wohnung leben wie sie, dachte Adela mit ungewohnter Heftigkeit.
    Am Anfang der Bank blieb Muriel kurz stehen und betrachtete mit gerunzelter Stirn ein mit Bändern geschmücktes Rosensträußchen.
    »Was glaubst du wohl, was das alles kostet?«, fragte sie für Adelas Geschmack viel zu laut. »Sieh dir das einmal an. Rosen! Sicher aus Afrika eingeflogen!«
    »Nun, meine Liebe, es ist ihr Geld. Sie kann damit machen, was sie will.«
    Adela folgte Muriel in die Kirchenbank, setzte sich und seufzte wie ein Ballon, der Luft verliert.
    »Kennst du die Leute hier?«, erkundigte sich Muriel und blickte sich um.
    »Ich weiß, dass der Trauzeuge in der ersten Reihe Peters Bruder Myles Hume ist. Ich glaube, er ist Anwalt.«
    »Ziemlich gewöhnlich«, urteilte Muriel, nachdem sie Myles ein paar Sekunden begutachtet hatte. »Übrigens ist Peter Hume meiner Ansicht nach auch nicht gerade ein Ausbund an Eleganz.«
    »Wirklich? Ich finde ihn heute ausgesprochen ansehnlich. Die Frau hinter ihnen ist vermutlich ihre Mutter.«
    »Sieht aus wie ein kleiner, brauner Vogel«, krittelte Muriel. »Der Federhut ist eindeutig ein Fehlgriff.«
    Muriel und Adela trugen ausladende Hüte und helle Tweedkostüme, die an Chanel erinnerten. Das Blau von Muriels Hut passte zu ihrem taubengrauen Kostüm, und auch Adelas fliederfarbene Kopfbedeckung harmonierte perfekt mit ihrer restlichen Garderobe. Adela wusste, dass ihr Kostüm von ausgezeichneter Qualität war,
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