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Endstation Mosel

Endstation Mosel

Titel: Endstation Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Notfall erreichen konnte. Sie hatte sich auch nicht gemeldet, aber eigentlich war er es, der ihr hätte mitteilen sollen, dass alles in Ordnung war, dass sie wohlbehalten ihre Etappenziele erreicht hatten.
    Ziele. Walde hatte immer Ziele. Die wichtigsten waren seine Fälle. Sein Vater hatte einmal gesagt, wenn man lange genug sägt, fällt auch der stärkste Baum. Für eine Ermittlung hatte Walde fast zehn Jahre gebraucht. Dann endlich fiel der Baum.
    Der Vergleich seines Vaters hinkte, er hatte damals einen ganzen Wald vor sich und hatte mit Glück irgendwann den richtigen Baum gefunden.
    Jo seufzte im Schlaf. Draußen fuhr ein Auto vorbei und warf Lichtbündel durchs Fenster.
    Waldes letzter größerer Fall lag Monate zurück. Er hatte sich mit dem Polizeipräsidenten angelegt. Es ging um die Erpressung eines Tabakkonzerns, die mehrere Opfer forderte. Übrig blieb nur noch das Rätsel um eines der Opfer, das irgendwo im Wald vergraben lag. Auch der Mörder war tot und konnte die Position des Grabes nicht mehr verraten.
    Waldes Gedanken kehrten zum Traum zurück. Auf der Welle, die auf ihn zukam, schwammen Delphine, sie würden ihn retten …
    *
    Mit markerschütterndem Knirschen riss die Strömung an den Ankerketten.
    »Scheiße, so läuft uns das Wasser volle Kanne rein!«, fluchte Piet. »Was hast du bloß gemacht?«
    Ein erstes Boot bewegte sich vom Ufer auf den Fluss hinaus.
    »Was ist nur los?«, fragte Johan und blickte über die Reling zu dem Schlauchboot, dessen Besatzung die Strömung offensichtlich unterschätzt hatte. Das Boot trieb weit ab.
    »Zu spät für die Kaffer!«, schrie Piet, dessen regennasse Pyjamajacke wie eine zu eng gewordene Schlangenhaut an seinem Körper klebte. »Wir saufen ab.«
    Johan schüttelte den Kopf und kramte ein Päckchen Tabak aus seiner Jackentasche. Das Papier war im Nu durchnässt. Nach ein paar Sekunden zerbröselte der Tabak in seinen zitternden Händen und flatschte auf seine Schuhe.
    Der Regen hatte den Nebel aufgelöst.
    Zwei weitere Boote fuhren vom Ufer los. Sie nahmen Kurs gegen die Strömung und bemühten sich, ihre Scheinwerfer auf die Populis zu richten. Stromaufwärts kämpfte sich das andere Boot langsam heran.
    Johan begann zu jammern: »Mein Gott, was ist nur los?«
    Piet rüttelte ihn an der Schulter.
    »Wach auf, sonst ist alles aus!«
    Als Johan weiter jammerte, packte Piet fester zu: »Komm zu dir, die sind gleich hier und …« Er versuchte den Verwirrten mit den Augen zu fixieren. »Kein Wort von denen da unten! Hast du verstanden?«
    Die Scheinwerfer blendeten die beiden. Als die Boote anlegten, nahmen sie die ihnen zugeworfenen Seile und vertäuten sie vorsorglich nur mit einem leichten Knoten.
    Johan klappte wie ein nasser Sack zusammen und schlug auf den Planken auf.
    Unter dem Stiefelgetrappel der Retter ging das Klopfen unter Deck endgültig unter.
    *
    Jemand hängte Johan eine Decke um. Die Feuerwehrleute hievten Material über die Reling. Die Populis lag inzwischen so tief im Wasser, dass für die weiter eintreffenden Männer kaum noch ein Höhenunterschied von den Schlauchbooten aus zu überwinden war.
    Piet instruierte die Feuerwehrleute. Bald wimmelte es an Deck von Männern mit weißen Helmen und roten Schwimmwesten über den weißen Reflektorstreifen an den Jacken. Schläuche wurden ausgerollt. Schon knatterten die ersten Dieselmotoren der Generatoren los. Pumpen liefen an. Lampen flackerten auf.
    Am Ufer vergrößerte sich das Blaulichtspektakel.
    Ein Feuerwehrmann führte Johan von Bord und brachte ihn an Land in einen Container. Dort versorgte ihn ein Arzt. Johan zuckte nicht einmal zusammen, als die Platzwunde am Kopf genäht wurde. Jemand zog ihm die nassen Sachen vom Leib und reichte ihm einen grauen baumwollenen Jogginganzug. Johan wurde in eine Sitzecke geführt. Erst stützte er den Kopf auf, dann ließ er ihn auf die Tischplatte sinken.
    »Die saufen ab, wenn sie keiner rausholt …«, murmelte er immer wieder vor sich hin.
    Nach einer Tasse heißem Tee begann sein Verstand langsam wieder zu arbeiten.
    »Hier, trink’, der bringt die Lebensgeister zurück.« Ein Mann im Unterhemd schob ihm ein Glas Schnaps über den Tisch. Johan leerte es auf einen Zug und schüttelte sich.
    »Noch einen?« Der Mann zog wieder den Korken aus der Flasche.
    »Günther, lass’, wer weiß, ob die Bullen nachher eine Blutprobe wollen«, mischte sich ein anderer ein. Sonst befand sich niemand mehr in dem schlicht möblierten Raum.
    Johan hob
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