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Endstation für neun

Endstation für neun

Titel: Endstation für neun
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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zurück, und Martin Beck stieg über die Absperrseile. Er sah, dass man eine vergleichbare Absperrung ein Stück weiter Richtung Torsplan errichtet hatte. Das abgesperrte Gebiet wimmelte von schwarzweißen Autos und nicht identifizierbaren Gestalten in glänzenden Regenmänteln. Das Erdreich um den roten Doppeldeckerbus war aufgewühlt und morastig.
    Der Bus war innen hell erleuchtet, und die Scheinwerfer brannten, aber ihre Lichtkegel reichten in dem strömenden Regen nicht weit. Der Einsatzwagen des Kriminaltechnischen Instituts stand neben dem hinteren Teil des Busses, der Kühler zeigte zum Karlbergsvägen. Auch der Wagen des Gerichtsmediziners war vor Ort. Hinter dem zerrissenen Drahtzaun waren einige Männer damit beschäftigt, Scheinwerfer aufzubauen. All diese Details signalisierten, dass etwas geschehen war, was weit über das Übliche hinausging.
    Martin Beck warf einen Blick zu den düsteren Mietskasernen auf der anderen Straßenseite hinauf. In mehreren der hellerleuchteten Fenstervierecke zeichneten sich Silhouetten ab, und hinter regennassen Scheiben sah man Gesichter wie verschwommene weiße Flecken gegen das Glas gepresst. Eine Frau mit nackten Beinen in Stiefeln und einem Regenmantel über dem Nachthemd kam aus einem Hauseingang schräg gegenüber dem Unglücksort. Sie schaffte es halb über die Straße, ehe sie von einem Polizisten aufgehalten wurde, der sie am Arm packte und zur Tür zurückführte. Der Polizist machte große Schritte, und sie ging neben ihm im Laufschritt, sodass sich das nasse weiße Nachthemd um ihre Beine schlang.
    Martin Beck konnte die Türen des Busses nicht sehen, aber er sah Menschen, die sich hinter den Fenstern bewegten, und nahm deshalb an, dass die Männer vom KTI bereits die Arbeit aufgenommen hatten. Er konnte auch keinen seiner Kollegen von der Mordkommission oder vom Dezernat für Gewaltdelikte der Stockholmer Polizei entdecken, vermutete jedoch, dass sie sich irgendwo auf der anderen Seite des Fahrzeugs befanden. Unwillkürlich verlangsamte er seine Schritte. Er dachte daran, was er gleich zu Gesicht bekommen würde, und ballte die Hände in den Manteltaschen zu Fäusten, während er einen weiten Bogen um den grauen Bus der Kriminaltechniker machte. Im Lichtschein, der aus der offenstehenden mittleren Tür des doppelstöckigen Busses fiel, stand Hammar, der seit vielen Jahren sein Chef und mittlerweile Polizeidirektor war, und sprach mit jemandem, der sich offenbar im Bus aufhielt. Er unterbrach sich und drehte sich zu Martin Beck um. »Da bist du ja. Ich dachte schon, man hätte vergessen, dir Bescheid zu geben.«
    Martin Beck erwiderte nichts, sondern ging zu den Türen und schaute hinein.
    Er spürte, wie sich seine Bauchmuskeln verkrampften. Es war schlimmer, als er erwartet hatte.
    Das kalte, klare Licht ließ jedes Detail im Bus mit ätzender Schärfe hervortreten. Der ganze Bus schien voller blutiger, lebloser Körper in verdrehten Stellungen zu sein. Am liebsten hätte er sich umgedreht, wäre davongegangen und hätte sich den Anblick erspart, aber von diesen Gefühlen spiegelte sich nichts in seinem Gesicht wider. Stattdessen zwang er sich, systematisch alle Einzelheiten zu registrieren. Die Männer vom KTI arbeiteten schweigend und methodisch. Einer von ihnen sah Martin Beck an und schüttelte langsam den Kopf. Martin Beck betrachtete die Toten, einen nach dem anderen. Er erkannte keinen von ihnen. Zumindest nicht in ihrem jetzigen Zustand.
    »Ist er oben?«, fragte er plötzlich. »Hat er…«
    Er drehte sich zu Hammar um und verstummte abrupt.
    Hinter Hammar war Kollberg aus der Dunkelheit aufgetaucht, barhäuptig, die Haare klebten ihm in der Stirn.
    Martin Beck starrte ihn an.
    »Hallo«, sagte Kollberg. »Ich habe mich schon gefragt, wo du bleibst. Ich wollte schon jemanden bitten, dich noch einmal anzurufen.«
    Er blieb vor Martin Beck stehen und sah ihn forschend an. Dann warf er einen kurzen, angeekelten Blick in den Bus und fuhr fort: »Du brauchst einen Kaffee. Ich hole dir einen.« Martin Beck schüttelte den Kopf. »Doch«, sagte Kollberg.
    Er stapfte durch den Matsch davon. Martin Beck starrte ihm hinterher, dann ging er zur vorderen Einstiegstür und sah hinein. Hammar folgte ihm mit schweren Schritten. Auf dem Fahrersitz lag der Busfahrer zusammengesunken über dem Lenkrad. Offensichtlich war er durch einen Kopfschuss getötet worden. Martin Beck betrachtete, was einmal das Gesicht des Mannes gewesen war, und wunderte sich vage darüber,
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