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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer
Autoren: Jógvan Isaksen
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sehen. Höchstwahrscheinlich liefen gerade die Nachrichten oder Dallas.
    Hinter der Löwentür tat sich nichts. Vielleicht war Hugo nicht zu Hause? Es brannte kein Licht, aber es war ja möglich, dass er gern im Dunkeln saß.
    Ich betätigte noch einmal den Türklopfer.
    Nichts.
    Das Küchenfenster war zu hoch, es hatte keinen Zweck zu versuchen hineinzusehen.
    Vorletzte Nacht hatte Hugo darauf bestanden, dass wir uns um neun Uhr treffen sollten, deshalb war es ziemlich merkwürdig, dass er nicht da sein sollte. Ich selbst war auch ziemlich neugierig herauszufinden, was mit Sonja passiert war. Hugo wusste etwas, aber es hatte ihm immer schon gefallen, so zu tun, als wüsste er mehr, als er sagte. Oft steckte gar nichts dahinter. Das Wohnzimmer lag auf der anderen Seite des Hauses, und wenn er wie der Rest des färöischen Volkes vor dem Fernseher saß, dann …
    Neben dem Haus war eine Pforte, durch die man in einen kleinen Hof gelangte. Ich ging durch sie hindurch und schaute zu den Stubenfenstern hoch, aber auch dort war kein Licht zu sehen. In dem Moment sah ich, dass die Kellertür nur angelehnt war. Dann war er also doch in der Nähe.
    Ich konnte mich noch aus der Schulzeit daran erinnern, dass er oft durch den Keller ins Haus ging. Vielleicht wollte er nur kurz etwas erledigen?
    Ich ging in den Keller. Er war niedrig und dunkel und anfangs konnte ich nichts sehen. Wie die meisten Keller war er bis in die letzte Ecke mit allem Möglichem voll gestopft. Ich bewegte mich vorsichtig, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    Dann entdeckte ich die Treppe, die nach oben führte. Ein Kleiderbündel lag davor.
    Ich trat näher und sah, dass das Kleiderbündel ein Gesicht hatte. Hugos Gesicht.
    Der Hals ragte schief zwischen den Schultern hervor. Es gab keinen Zweifel daran, dass sein Genick gebrochen war.
    Ich beugte mich über Hugo nieder und legte meine Hand an seinen Hals. Er war noch warm.
    Aus den Augenwinkeln erhaschte ich den Schimmer einer Bewegung hinter mir, aber zu spät. Etwas Hartes traf mich am Hinterkopf, direkt hinter dem Ohr, und die Welt füllte sich mit Licht – mit weißem, blendendem Licht.

7
    Schmerzwellen wogten durch meinen Kopf. Ich kam langsam wieder zu mir und wünschte, ich fiele erneut in schmerzfreien Schlaf. Eine ganze Schiffswerft war eingezogen und arbeitete im Akkord.
    Ich versuchte aufzustehen, aber mir wurde schwarz vor Augen. Ich wartete einen Augenblick. Dann erhob ich mich im Zeitlupentempo. Jetzt ging es besser, obwohl der Schmerz mich immer noch lähmte. Zuerst auf die Knie, dann mit den Händen abstützen. Schließlich stand ich aufrecht. Ich massierte mir den Nacken. Er tat weh.
    Schwer im Kopf und schwach auf den Beinen versuchte ich, einen Überblick über meine Situation zu bekommen. Das war schnell geschehen. Hugo war tot und ich war niedergeschlagen worden. Ich schaute auf die Uhr. Es war nach zehn. Der Täter war schon lange auf und davon.
    Irgendwie musste ich ihn gestört haben. Ich war ihm in die Quere gekommen. Ob der Kerl Hugo getötet hatte und es so aussehen lassen wollte, als sei das Opfer die Treppe hinuntergefallen? Sicher. Warum hätte man mich zusammenschlagen sollen, wenn es sich um ein Unglück handelte? Oder war da noch etwas anderes im Spiel?
    Von all diesen Fragen bekam ich nur noch mehr Kopfschmerzen. Ich mochte nicht weiter nachdenken, aber vielleicht sollte ich stattdessen nach oben gehen. Die Treppe führte zu einem Flur, der nicht gerade der größte war. Eine Kommode mit einem Spiegel darüber, ein Mantel und ein Paar einsame Schuhe waren alles, was dort zu finden war.
    Ich konnte zwischen zwei Türen und einer Treppe in den ersten Stock wählen. Ich ging in die Küche. Sauber und ordentlich. Ich schaute in die Schränke und in den Kühlschrank, aber alles sah ganz normal aus.
    Im Wohnzimmer war auch nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Es war wie die meisten Stuben auf den Färöern eingerichtet: Sofa, Couchtisch, Sessel, Esstisch mit vier Stühlen, ein großer Farbfernseher. Etwas mehr Bücher als üblich und nicht nur die Illustrierte Varøin. Zeitungen, färöische und dänische, lagen auf dem Couchtisch. Über dem Sofa hing ein großes Gemälde mit einer gewaltigen Landschaft. Sigmund Petersen ließ sich nicht verleugnen.
    Nur eine Sache war anders als in anderen Wohnzimmern: Es gab keine einzige Topfpflanze auf den Fensterbänken, nicht einmal einen Kaktus. Hugo hatte wohl kaum viel Wert auf derartige Gemütlichkeit
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