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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer
Autoren: Jógvan Isaksen
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was ich in Verbindung mit ihrem Tod bringen konnte – oder mit Hugos.
    In der obersten Schreibtischschublade lagen eine halb volle Packung Prince Light, ein paar Streichholzschachteln, Füller, Haarspangen und andere Kleinigkeiten. In der zweiten Schublade entdeckte ich auch nichts Spannendes: Menstruationsbinden, eine Packung Tampax medium und Papiertaschentücher. In der dritten Schublade standen ein paar leere Bier- und Mineralwasserflaschen. Nichts, was nach einer Spur aussah. Merkwürdig, oder? Ich sah auf den Computer, der auf einem kleinen Tisch stand. Viele benutzten ihren Computer als Adressbuch und Terminkalender.
    Ich stellte den PC an. Die Übersicht der Textdateien enthielt nichts Ungewöhnliches. Sie waren nach neuen und alten Artikeln sortiert, einige von ihnen waren noch in Unterordner gegliedert.
    Ich saß eine Weile da und scrollte den Bildschirm hoch und runter. War da etwas, das anders war? Nein, sah nicht so aus.
    Es waren auch zu viele Dateinamen, als dass ich sie alle hätte durchsehen können. Einige sagten mir überhaupt nichts. Das war allerdings nicht so merkwürdig, denn die Bezeichnungen mussten kurz sein und waren deshalb oft unverständlich.
    Ich schaute mir die Datierung der Dateien an. Die meisten waren von vor- oder nachmittags, dazwischen mal eine vom frühen Abend.
    Doch es gab einen Namen, der anders war. Nicht nur weil er nur aus einem Ausrufungszeichen bestand, sondern vor allem weil er um 4.59 Uhr abgespeichert worden war, und zwar in der Nacht, in der Sonja aufs Støðlafjall gezogen war. Der Inhalt umfasste 300 Bytes.
    Ich gab den Namen ein. Dort stand: 7-dir.
    War das nur Blödsinn? Oder englische Computersprache, in der dir directory bedeutet? Oder etwas ganz anderes?
    Schließlich sagte ich mir, dass es keinen Grund gab, hier länger sitzen zu bleiben. Ich ließ eine Übersicht über die Dokumente und von dem merkwürdigen  ! ausdrucken. Dann stopfte ich das Ganze in die Tasche, bedankte mich und zog von dannen.
    Während ich in die Stadt ging, murmelte ich den kurzen Inhalt vor mich hin. Ich versuchte, ihm einen Sinn zu entlocken.
    Aus welchem Grund hatte Sonja um fünf Uhr morgens an ihrem Computer gesessen und 7-dir eingetippt? Die einfachste Erklärung war, dass sie etwas getrunken hatte und einfach nur dasaß und herumspielte. Aber das gefiel mir nicht, denn dann wäre ich wieder bei null angelangt. Und warum sollte sie um diese Zeit zum Bladet hinausgehen und mit ihrem Computer spielen?
    Syv-dir. Computersprache? Aber wo waren dann diese sieben dirs? Dir und dyr, was auf Färöisch Tür bedeutet, werden gleich ausgesprochen. Dir-dyr-Tür? Die Zahl Sieben war in vielen Zusammenhängen bekannt, von Schneewittchen und den sieben Zwergen bis zum siebenarmigen Leuchter. Die Bibel war voll mit Siebenen, vom Schöpfungsbericht bis zur Johannes-Offenbarung. Das Buch mit den sieben Siegeln, das Lamm mit den sieben Hörnern, der siebenköpfige Drache … Ich glaubte mich zu erinnern, dass die Zahl Sieben die einzige unter den Zahlen von eins bis zehn ist, die man weder erhält, wenn man eine der anderen Zahlen multipliziert, noch bekommt man eine dieser Zahlen, wenn man mit sieben multipliziert. Das sollte ein Zeichen für Isolation und Jungfräulichkeit sein. Vielleicht war meine Erinnerung aber auch nicht ganz richtig, denn Letzteres war nicht gerade charakteristisch für Sonja. Das Spiel konnte man fortsetzen: Seven Up, das Siebengestirn, Syv-dir.
    Plötzlich hatte ich eine Eingebung, einen Schuss in den Nebel. Ich hätte das Ziel nie erreicht, wenn ich es anvisiert hätte, aber jetzt stand für einen Augenblick alles still. War es möglich? Hing es so zusammen?

10
    Ich saß in der Zentralbibliothek, einen Stapel Bücher vor mir. Es waren Bücher über die Färöer. Ich suchte nach Sjeyndir. Mein Schuss in den Nebel lief darauf hinaus, dass 7-dir Sjeyndir meinte – sjey bedeutet auf Färöisch sieben –, also die Bucht mit den Grotten auf der Nordseite von Steymoy. So ein Wortspiel war Sonja zuzutrauen, damit man nicht sofort sehen konnte, woran sie arbeitete. Ich verstand es zwar nicht, suchte aber nun nach Informationen über die Grotten. Jørgen-Frantz Jacobsens Chronik kam mir als Erstes in den Sinn. Ich hatte sie vor vielen Jahren gelesen und sie war mir als fesselnde Beschreibung in Erinnerung geblieben. Die äußerste Küste hieß sie und so wurden dort die Grotten geschildert:
     
    Wir kamen immer tiefer und es wurde dunkler und dunkler. Aber als wir fünfzig,
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