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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer
Autoren: Jógvan Isaksen
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nicht mit dir reden.«
    Er verhaspelte sich und sprach so undeutlich, dass ich bei all dem Lärm kaum verstehen konnte, was er sagte.
    »Ich weiß nämlich was, was du nicht weißt.« Er versuchte, gerissen auszusehen, aber das Einzige, was dabei herauskam, waren ein paar unschöne Grimassen.
    »Und was weißt du?«, fragte ich.
    »Das sage ich nicht«, murmelte Hugo.
    Ich versuchte, mich von ihm zu befreien, aber er krallte sich fest und drückte sein Gesicht dicht an meins. Unsere Nasen berührten sich.
    »Hast du gewusst, dass Sonja und ich wieder zusammen waren?« – »Nein, das hast du nicht gewusst«, fügte er selbst hinzu und erstickte mich fast mit seinem sauren Schnapsatem. »Wir wollten heiraten. Das hat sie mir versprochen und jetzt ist sie tot.«
    Ich konnte mein Gesicht wegdrehen und so dem schlimmsten Gestank entgehen. Tränen liefen Hugo über die Wangen. Auch das noch.
    Irgendwie schaffte ich es, ihn in eine Ecke zu bugsieren, in der es zwei freie Sitzplätze gab.
    »Das ist also dein Geheimnis, Hugo?«, fragte ich, um überhaupt etwas zu sagen.
    Die Tränen versiegten und er sah mich überrascht an.
    »Geheimnis? Von was für einem Geheimnis redest du da?«
    »Du hast doch gerade gesagt, dass du etwas weißt, was ich nicht weiß.«
    Er überlegte einen Augenblick mit halb geschlossenen Augen. »Ach das, das ist was ganz anderes.«
    »Etwas ganz anderes? Hat das auch etwas mit Sonja zu tun?«
    Jetzt starrte er mich prüfend an. Er sah halbwegs nüchtern aus und schien nachzudenken. Endlich fasste er einen Entschluss, lehnte sich an mich und flüsterte: »Ja, es hat etwas mit Sonja zu tun. Mit ihrem Tod, und deshalb war ich auch in Dänemark. Aber hier können wir darüber nicht reden, das ist viel zu gefährlich.« Er warf einen Blick in die Runde. Dachte kurz nach. »Ich wohne im alten Haus meiner Eltern. Komm morgen Abend um neun da vorbei.«
    Jetzt hatte er meine Neugier geweckt, auch wenn ich mir einzureden versuchte, dass es ja nur Hugo war. Hugo, der oft ›Ideen‹ hatte.
    »Können wir uns nicht früher treffen?«
    »Nein, ich muss vorher noch etwas erledigen.« Die Nüchternheit verschwand wieder und er sank in sich zusammen, schlief fast ein.
    Was Hugo wohl damit meinte, dass es zu gefährlich war, hier zu reden. Und was hatte er in Dänemark gemacht? Ich schaute ihn an. Er war völlig hinüber. In dieser Nacht würde ich nichts mehr von ihm erfahren.
    Ich stand auf, um noch etwas an der Bar zu holen, bevor sie schloss. Auf dem Weg dorthin lief ich beinahe in eine dunkelhaarige Frau mit einer Prinz-Eisenherz-Frisur. Ihr Gesicht war weiß und etwas puppenartig, mit dunkelroten Lippen und funkelnden dunklen Augen. Sie trug ein schwarzes Minikleid mit einem breiten, glänzenden Gürtel und summte lächelnd vor sich hin.
    »Hast du Feuer?« Sie blieb stehen.
    Ich gab ihr welches, und während sie inhalierte und den Rauch wieder ausblies, betrachtete ich den Gürtel. Es war auf alle Fälle der breiteste Gürtel, den ich je gesehen hatte. Und der merkwürdigste. In der Mitte prangte eine Metallplatte mit einem Ornament.
    »Was um alles in der Welt ist das für ein Gürtel?«
    Sie schob neckisch die Hüfte vor und sah mich herausfordernd an. »Das ist ein Keuschheitsgürtel. Eine Frau muss schließlich auf sich aufpassen.« Dann folgte ein perlendes Lachen. Sie wandte sich ab und lief die Treppe hinauf, von wo der Ententanz zu hören war.
    Das Trampeln brachte die Lampen zum Schaukeln. Vielleicht ein Bild dessen, was kommen sollte?

5
    Sonntag. Ich lag im Bett und starrte an die fleckige Decke, versuchte, Gesichter in den feuchten Stellen zu erkennen, während ich nachdachte. Sollte ich mich auf die andere Seite drehen und versuchen, nochmal einzuschlafen, oder sollte ich aufstehen und mir etwas zu essen organisieren?
    Der Hunger siegte. Ich ging in die Küche, aber da war natürlich nichts. Nicht ein Krümel. Also musste ich in die Stadt, um etwas zu kaufen.
    Doch zuerst stellte ich mich unter die Dusche, um den Kater wegzuspülen, rasierte mich, holte saubere Unterwäsche und ein Hemd aus dem Koffer und fand schließlich, dass ich es wagen könnte, mich unter ganz gewöhnlichen Menschen sehen zu lassen. Auf dem Küchentisch stand eine Whiskyflasche und sah mich verführerisch an. Aber nein, noch nicht. Ich halte es da mit W. C. Fields: Vor acht Uhr morgens trinke ich niemals etwas Stärkeres als Gin.
    Aber acht Uhr war schon lange her. Das Wunschkonzert war so deutlich aus der Wohnung der
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