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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
Autoren: Frank Brady
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Hausfriedensbruchs kam es übrigens nie: Regina wurde psychiatrisch untersucht und von einem Richter für unschuldig erklärt. Im Bericht des Psychiaters heißt es, Regina habe eine »gestelzte (paranoide) Art, querulatorisch, aber nicht psychotisch«. Schon bald nach Bobbys Geburt fand Regina eine Anstellung als Schreibkraft bei der Firma Montgomery Ward und zog in ein billiges Apartment in 2840 South Lake Park Avenue, Chicagos South Side.
    Regina war fest entschlossen, die Kinder alleine großzuziehen. Hilfe suchend wandte sie sich an verschiedene Wohlfahrtsorganisationen, aber auch an ihren Vater und auch sonst jeden, der gutmütig genug schien. Sie erhielt zwar Hilfe, aber nie genug und nie rechtzeitig. Ständig war das Geld knapp, und der Ehemann zahlte weiter keinen Unterhalt für Joan. In den Kriegsjahren zog Regina der Arbeit hinterher. Eine von Bobbys frühesten Erinnerungen spielte in einem Wohnwagen, »irgendwo im Westen«. Infrage kämen dafür Kalifornien, Idaho, Oregon, Illinois und Arizona – dort überall lebte die Familie vor dem Umzug nach New York. Regina durfte nicht wählerisch sein, und so arbeitete sie in der ersten Hälfte der Vierzigerjahre unter anderem als Schweißerin, Lehrerin, Nieterin, Magd, Assistentin eines Toxikologen und als Stenografistin.

    Der sechsjährige Bobby betrachtete das Labyrinth nur ein paar Sekunden lang. Dann setzte er seinen gelben Bleistiftstummel an und zeichnete den Weg zu der Prinzessin, die in der Mitte des Labyrinths in einem Schloss gefangen saß. Um sie retten zu können, musste man dem Ritter den richtigen Eingang und Pfad weisen. Zuerst versuchte es Bobby von der rechten oberen Ecke aus. Rasch fuhr er durch die Gassen, Kreise, Kreisel und Hindernisse, doch immer wieder landete er in einer Sackgasse.
    Frustriert radierte er seinen ersten Versuch aus und musterte das Pro­blem erneut. Er musste es wohl von einem anderen Startpunkt aus probieren. Mit den Augen ging er alle Möglichkeiten durch, links oben, links unten und rechts unten. Dann ging er das Problem von hinten an und suchte mit den Augen einen Pfad von der Prinzessin zum Ritter. Nach ein paar Minuten hatte er ihn gefunden. Erst jetzt griff er wieder zum Stift und zeichnete ihn ein.
    Auch beim nächsten Rätsel, bei dem er den Weg durch ein vertrackteres Labyrinth zu einem Goldschatz finden sollte, scheiterte er zunächst. Wieder hatte er zu voreilig losgelegt. Frustriert warf er seinen Bleistift hin und nahm einen braunen Buntstift. Diesmal nahm er sich mehr Zeit. Bald sah er die Lösung und ärgerte sich, dass er sie nicht sofort erkannt hatte. »Schau, Joanie«, forderte er seine elfjährige Schwester auf. Sie nickte anerkennend.
    Eine Zeit lang begeisterte sich Bobby für Mensch ärgere Dich nicht. Er liebte es, seine Figuren durch die Blockaden seiner Gegenspieler zu ziehen, aber er wurde wütend, wenn seine Kontrahenten Würfelglück hatten, seine Figuren schlugen und zum Start zurückschickten. Wenn Pech seine Pläne zunichtemachte, regte Bobby sich fürchterlich auf und brach das Spiel ab. Irgendwann konnte er kein Spiel mit Zufallselementen mehr leiden.
    Um ihren quirligen Bobby – heute würde man ihn vermutlich als hyperaktiv bezeichnen – zu beschäftigen, kaufte Regina ihm Bücher wie 50 Peppy Picture Puzzles for Girls and Boys und Pencil Puzzles: Sharpen Your Pencils, Sharpen Your Wits mit Labyrinthen, Suchbildern und Wörterrätseln. Bobby stürzte sich immer zuerst auf die Labyrinthe. Später begeisterte er sich für Tangram, ein altes chinesisches Legespiel. Er nahm die sieben geometrischen Holzteile, mischte sie am Boden oder am Tisch und legte dann wie verlangt Schwäne oder sonstige Figuren. Dabei kam es ihm ebenso auf die Geschwindigkeit an wie auf die Lösung des Pro­blems selbst.

    Anfang des Jahres 1949 zog Regina Fischer mit ihren Kindern in die günstigste Wohnung, die sie hatte finden können, in der 13. Straße Ost auf Manhattan. Die Wohnung lag gegenüber dem Hintereingang des berühmten Restaurants Luchow , in dem viele Top-Schachspieler gelegentlich aßen. Für die Familie Fischer kam ein Essen dort aber nie infrage. An einer rostigen Feuertreppe vorbei musste man sich in die Wohnung zwängen, die nur ein einziges Schlafzimmer hatte. Dafür betrug die Miete lediglich 45 Dollar im Monat.
    In der gleichen Straße gab es einen kleinen Zeitschriftenladen, der auch Spielzeug, Eis, Süßigkeiten und Krimskrams führte. An einem regnerischen Tag im März 1949 suchte
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