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Endlich geborgen

Endlich geborgen

Titel: Endlich geborgen
Autoren: Barbara McCauley
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sie die Entfernung zur gegenüberliegenden Tür abzuschätzen versuchte. Sie hätte es nicht einmal ohne den Jungen geschafft. Als sie ihn wieder ansah, schien sie ihre Niederlage hinzunehmen.
    Sie wollte seine Hilfe nicht, das stand fest. Aber sie würde sie nicht ablehnen können.
    Gefangen.
    Ihr Herz schlug wie rasend, als Melanie Hart ihren Gegner ansah, und Angst stieg in ihr hoch. Er war zu groß, als dass sie ihm hätte entkommen können. Und mit seinen langen Beinen würde er sie mühelos einholen. Sie hatte bereits seine körperliche Überlegenheit gefühlt, eine Überlegenheit, die sie unter anderen Umständen bewundert hätte. Unter den verwaschenen Jeans und dem Baumwollhemd steckte ein muskulöser Körper.
    Aber sie durfte sich nicht fangen lassen. Die Polizei durfte sie und Kevin nicht finden.
    Sie machte noch einen Schritt auf die Tür zu, aber der Mann tat es ihr gleich und schüttelte dabei den Kopf.
    Wie konnte sie sich gegen ihn bloß wehren? Noch dazu mit Kevin, der sich wieder an ihre Beine geklammert hatte? Der Fremde wirkte ent schlossen, und seine Miene machte ihr kaum Mut. Eine Blutspur auf seiner Wange erschreckte sie. War sie das etwa gewesen? Sie fühlte eine Spur Schuldbewusstsein, aber rasch schüttelte sie es ab. Sie hatte ihn nicht verletzen wollen, doch wenn es nötig war, würde sie es tun. Welche Wahl blieb ihr sonst?
    Sie hob den Kopf und holte tief Luft, um sich zu beruhigen. „Das ist Freiheitsberaubung”, erklärte sie mit einer so festen Stimme, dass sie selbst erstaunt war. „Sie haben keinen Grund und ganz gewiss kein Recht, mich und meinen Sohn hier festzuhalten. Ich werde dafür Entschädigung verlangen.”
    Er zog die Brauen hoch und deutete dann auf die Tür zum Wohnzimmer. „Warum setzen Sie sich nicht inzwischen?”
    Noch einmal dachte sie an Flucht, doch ihre Chancen standen schlecht. Sie musste eine Gelegenheit finden, diesen Mann abzulenken. Wenn sie nur wüsste, wie.
    Er blieb hinter ihr, als sie zusammen mit ihrem Sohn das Esszimmer verließ, damit sie gar nicht erst auf die Idee kam, durch die Vordertür zu fliehen, an der sie vorübergingen. Als sie das Wohnzimmer betraten, knipste er eine kleine Messinglampe an.
    Es war ein großer Raum mit hohen Decken, breiten Fenstern, einem Holzfußboden und einem Kamin. Ölgemälde, zumeist mit Landschaftsmotiven, hingen an den weiß getünchten Wänden. Zwei Queen-Anne-Stühle und ein Sofa waren abgedeckt, mehrere Tische und Stühle standen herum, und wie überall im Haus roch es auch hier muffig.
    Er bedeutete ihr, sich zu setzen. Sie sah ihn an, nahm dann wieder die Hand ihres Sohnes und zog ihn mit sich zum Sofa.
    Wie hätte sie auch nur ahnen sollen, dass Miss Witherspoon gestorben war? Sie hatte mit ihr gesprochen, auch wenn es schon vier Wochen her war. Melanie wusste, dass es sich um eine ältere, sehr lebhaft wirkende Frau gehandelt hatte. Als sie, Melanie, hier ankam und niemand öffnete, hatte sie angenommen, die Eigentümerin wäre verreist.
    Natürlich war es ein Fehler gewesen, zu behaupten, Miss Witherspoon hätte sie eingeladen.
    Ein großer Fehler. Tränen stiegen Melanie in die Augen. Sie konnte sich keinen Fehler leisten.
    Aber sie war müde. So unglaublich müde. Genau wie Kevin. Nachdem sie Kalifornien verlassen hatten, war sie mit ihm kreuz und quer durch das Land gefahren. Und die Reise war nicht spurlos an ihnen vorübergegangen, nicht nur wegen der Unruhe, sondern auch wegen der Sorgen, der ständigen Angst.
    Und doch konnte sie nicht hier bleiben, vor allem jetzt nicht, wenn die Polizei kam. Sie hatte bisher keine Vorstrafen, aber wenn man sie wegen Einbruchs anklagte, hätte sie eine.
    Und dann würde sie eine Spur hinterlassen, das konnte sie sich nicht erlauben. „Hören Sie, Mister …”
    „Gabriel.” Er setzte sich auf die Lehne eines Stuhles. „Gabriel Sinclair. “
    Melanie zog ihren Sohn auf den Schoß. Er schlang die Arme um ihren Hals und barg das Gesicht an ihrer Brust. Sie küsste sein Haar und wiegte ihn sanft hin und her. „Mr. Sinclair, Sie begehen einen „schrecklichen Fehler. Mein Mann hat eine wichtige Stellung in Washington inne. Er wird außer sich sein, wenn er erfährt, dass Sie mich hier grund los festhalten …”
    „Rufen Sie ihn an.” Gabriel holte erneut sein Handy hervor. „Ich würde gern mit ihm sprechen.”
    „Ich kann ihn jetzt unmöglich erreichen.” Sie wusste, sie verwickelte sich immer mehr in ein Netz von Lügen, doch das spielte jetzt keine
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