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Endithors Tochter

Titel: Endithors Tochter
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
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Rache nicht entgehen, Nalor. Lasst Euch das gesagt sein!«
    »Das glaube ich nicht. Schon heute Nachmittag werdet Ihr sterben!«
    »Mein Geist wird Euch keine Ruhe lassen, bis ich gerächt bin!«
    Nalor lächelte spöttisch.
    »Ihr seid verrucht, Nalor, aber Eure Verderbtheit wird ihre Folgen haben und die Hölle wird Euch bekommen!«
    »Jetzt winselt ihr wie die verkrüppelten Bettler auf den Straßen, die um Almosen flehen und jenen, die ihnen nichts geben, mit der Strafe der Götter drohen.«
    »Wenn Ihr sterbt, Nalor – wenn Ihr Euren letzten Atemzug tut – dann denkt an mich! Ich werde gemartert werden, doch mein Tod wird süß und schmerzlos sein gegenüber dem, der Euch erwartet. Nalor – ich sehe Flammen der Höllen nach Eurer Seele lecken …«
    »Spart Euren Atem, mein Freund. Ihr werdet ihn für Eure Schreie heute Nachmittag brauchen.«
    Mit diesen Worten drehte Nalor sich um und verließ den Kerker.
    Endithors Ketten rasselten, als er sich gegen die Steinwand fallen ließ. Sein Gesicht glühte, und er zitterte am ganzen Leib. Er hatte Frieden mit den Göttern geschlossen, doch er wollte nicht sterben. Wie ein Gebet flüsterte er sich immer und immer wieder zu: »Denk an meine Worte, Nalor, die Höllen werden deine Belohnung sein. Du wirst an mich denken, wenn du stirbst. Du wirst an mich denken, wenn du stirbst …«
    Nalor war nicht im Gerichtssaal, als Areel mit einem Gesuch, ihren Vater noch einmal sprechen zu dürfen, ehe er hingerichtet wurde, zurückkam. Es war vom Magistrat bereits genehmigt. Trotzdem, und obwohl Nalor nicht anwesend war, taten die neun finsteren Richter, was sie wussten, dass der Edle von ihnen erwartete: Sie verweigerten Areel den Besuch.
    »Das könnt ihr nicht tun!« rief Areel empört. »Es ist gegen das Gesetz, dessen Hüter ihr sein müsstet! Jedem Gefangenen ist ein Besuch vor seiner Hinrichtung gestattet!«
    Die Richter steckten die Köpfe zusammen, dann erklärte der Vorsitzende: »Das stimmt, mit zwei Ausnahmen: Erstens wurde Euer Vater des Hochverrats überführt, und bei einem Verbrechen gegen den Staat oder einen seiner Diener gibt es die üblichen Vergünstigungen nicht. Zweitens sind während der letzten vierundzwanzig Stunden vor der Hinrichtung keine Besuche erlaubt. Wir befinden uns bereits innerhalb dieser Frist.«
    »Das ist ja ungeheuerlich!« entrüstete sich Areel. »Er wurde erst in der vergangenen Nacht verhaftet und gleich diesen Vormittag verurteilt. Er wird tot sein, ehe ein Tag und eine Nacht nach seiner Gefangennahme vergangen ist. Das ist reiner Hohn!«
    »Schweigt!« Der Oberste Richter erhob sich und schlug beide Hände klatschend auf den Tisch. »Schweigt, oder Ihr werdet aus dem Saal geführt! Ich rate Euch“ geht nach Hause und betet zu den Göttern um Gnade für die Seele Eures Vaters. Er ist ein böser Mann, ein Hexer, und braucht Eure Fürsprache, wenn seine Seele nicht in alle Ewigkeit in den Höllen schmoren soll. Hebt Euch nun hinweg! Unsere Zeit ist kostbar, und wir haben bereits zuviel davon für das Fleisch und Blut eines Verräters vergeudet!«
     
    Endithors Haus im vornehmsten Viertel von Shadizar, unmittelbar gegenüber den Regierungsgebäuden, bot Areel einen Blick auf den Stadtplatz, wo die Hinrichtung stattfinden sollte. Allein saß sie in ihrer Kemenate am offenen Fenster und sah zu, wie das Urteil vollstreckt wurde.
    Gleich am Vormittag waren überall Kundmachungen aufgehängt worden, und gegen Mittag begann der Platz sich bereits mit Neugierigen zu füllen. Die Händler in ihren Verkaufsständen machten ein besseres Geschäft als das ganze Jahr zuvor. Flaschen mit Wein wurden geschwungen und an die Lippen gesetzt, Käse und Kuchen verzehrt, Lieder gesungen, Lauten und Flöten gespielt. Auch die Taschendiebe kamen mehr auf ihre Kosten als während der vergangenen zwölf Monate zusammengenommen. Kaum stand die Sonne im Zenit, bewölkte der Himmel sich, und kurz darauf setzte ein Nieselregen ein, von dem die inzwischen dichtgedrängte Menge sich jedoch nicht stören ließ.
    Areel vergoss keine Tränen, sie trauerte nicht, noch klagte sie laut ihr Weh. Sie war die wahre Tochter ihres Vaters und erzogen, alles mit stillem Stolz zu ertragen. Das Leben am Hof hatte ihren Vater gelehrt, immer seine äußere Würde zu bewahren und sich fest auf sich selbst zu verlassen. Diese Einstellung hatte er auf seine Tochter übertragen. Areel war Stein, Stahl und Feuer. Gutes und Böses fand gleichermaßen ihre kritische Aufmerksamkeit und
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