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Ende (German Edition)

Ende (German Edition)

Titel: Ende (German Edition)
Autoren: David Monteagudo
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Jedenfalls nicht wirklich. Ich verstehe nicht, wie man so leben kann.»
    «Und du? Liebst du jemanden wirklich? Hast du einen Freund? Eine Liebe, die das ganze Leben lang hält? Oder besteht dein hauptsächlicher Lebenszweck darin, dir eine gute Frührente zu sichern, wie du das nennst?»
    Die Finsternis ist jetzt fast absolut. Eva ist nur noch schemenhaft zu erkennen, verschmilzt mit dem Dunkel der Nacht. Einige Sekunden vergehen.
    «Wechseln wir das Thema», sagt sie plötzlich, um einen neutralen Ton bemüht. «Ich habe hier im Haus was gefunden.»
    Auf Evas Seite spürt man eine Bewegung, an dem Rascheln des Stoffs, an dem Schwanken des Betts.
    «Hier, fass mal an.»
    «Was ist das? Scheiße! Wo hast du das her?»
    «War unten im Büro. In einer Schublade.»
    «Waffen sind mir suspekt. Ist sie geladen?»
    «Zumindest gesichert.»
    «Diese Dinger sind mir zuwider. Allein die Vorstellung, Macht über Leben und Tod zu haben, dass man nur den Finger krümmen muss, und schon …»
    «Ich hätte überhaupt keine Skrupel, die Waffe zu benutzen. Wenn du auch noch verschwindest, bin ich ganz allein, und …»
    Eva versagt die Stimme. Jetzt ist Ginés derjenige, der sich bewegt. Zu spüren ist es nur als Luftzug im kribbelnden Dunkel der Nacht. Ginés ist näher an Eva herangerückt. Stoffe rascheln, Haare.
    «Keine Angst … Eva. Einen positiven Aspekt hat Amparos Tod: Wir können darauf hoffen, dass ab jetzt niemand mehr verschwindet.»
    «Sie ist ja auch verschwunden, anders zwar, aber trotzdem. Es hat tatsächlich den Anschein, als ob … Den Quatsch mit eurem Propheten glaube ich nicht, aber irgendjemand löscht uns systematisch aus, nach einem vorgefassten Plan.»
    Stille. Nach einigen Sekunden ertönt wieder Ginés’ Stimme.
    «Glaubst du, da ist jemand, der …?»
    «Ich glaube gar nichts. Kann ich auch nicht, weil dieser Jemand allmächtig sein müsste, und daran glaube ich nicht, das ist gegen mein Naturell. Ich habe nur gesagt, dass es den Anschein hat. Könnte auch Zufall sein. Reiner Zufall.»
    Wieder tritt Stille ein.
    «Hör mal, du stinkst nach Knoblauch.»
    «Oh, entschuldige! Das muss diese Wurst sein. Iberische Wurst, lecker, aber …»
    «Nein, bitte. Bleib bei mir. Umarme mich, ganz fest.»
    Einen Moment lang liegen beide ruhig da. Dann regt sich wieder etwas, kurz darauf ertönt Evas Stimme.
    «Das Fenster macht mir Angst.»
    «Kein Tier schafft es bis hier rauf, kein gefährliches Tier jedenfalls. Wenn du willst, mache ich es zu, aber dann gehen wir ein vor Hitze.»
    «Ist egal, lass es auf. Hauptsache du umarmst mich.»
    Diesmal bleibt es länger still. Das Gehör hat genügend Zeit, um das Zirpen der Grillen wahrzunehmen, ihr merkwürdiges Pulsieren. Warm steht die Luft im Zimmer, hüllt alles ein. Auf dem Bett regt sich wieder etwas, Körper suchen eine neue Position, Luft streicht durch Nase und Mund. Doch weil es noch dunkler geworden ist, sieht man nichts, auch dann nicht, wenn eine Gestalt sich bewegt.
    «Was ist denn los mit dir?»
    Evas Stimme platzt in die Stille hinein, durchschneidet das Dunkel.
    «Nein, bitte, ich kann das nicht.»
    «Aber du warst doch erregt. Du hattest einen Ständer.»
    «Sei nicht so vulgär.»
    «Vulgär? Fick dich selbst, du Arsch!»
    «Bitte, das hat nichts mit dir zu tun. Du bist wirklich attraktiv, du …»
    «Warum willst du dann nicht?»
    «Dräng mich nicht. Später, wenn wir das hier überstanden haben. Du bist der beste Mensch, der mir …»
    «Lass uns miteinander schlafen, Ginés», fleht Eva, deren Stimme sich vollkommen gewandelt hat. «Noch können wir uns retten, hörst du? Es hat an Liebe gefehlt. Es hat euch an Liebe gefehlt. Und das ist schrecklich! Aber wir können es anders machen, noch können wir es anders machen.»
    «Es geht nicht um Liebe, es ist was anderes.»
    «Aber es ist das Einzige, was du mir geben kannst. Das darfst du mir nicht verweigern. Vielleicht finden wir ja raus, dass …»
    «Ich kann nicht, María, entschuldige, Eva. Das darfst du nicht von mir verlangen.»
    Ginés verstummt, als fände er keine Worte mehr. Auch Eva schweigt. Keiner der beiden rührt sich. Als Evas Stimme wieder ertönt, hat sie etwas erschreckend Gelassenes, etwas resigniert Trauriges, fast Verständnisvolles.
    «Es ist wegen des Propheten, stimmt’s? Um ja nicht ‹seinen Zorn zu wecken›.»
    Ein Körper dreht sich von einer Seite auf die andere, das Geräusch ist deutlich zu hören. Dann tritt wieder Stille ein.
    «Wie du meinst, Ginés.
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