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Empty Mile

Empty Mile

Titel: Empty Mile
Autoren: Matthew Stokoe
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anonyme Verwaltung alles Weitere übernahm. Ich wollte die Zeit anhalten, wollte verhindern, dass er sich von mir entfernte. Ich wollte ihn festhalten, nicht loslassen, wollte glauben, dass ich damit einen essenziellen Teil von ihm am Leben halten könnte. Aber er war längst fort, und es gab nichts, im ganzen Universum nicht, das ihn mir zurückbringen konnte.
    Als ich von dem Leichnam zurücktrat, hoben ihn zwei aus dem Taucherteam behutsam hoch und legten ihn in einen schwarzen Plastikleichensack. Als sie ihn schlossen, fragte mich einer, ob sie sein Gesicht unbedeckt lassen sollten. Ich schüttelte den Kopf, woraufhin sie den Sack schlossen, dann scharten sich alle Männer am Strand schweigend darum und trugen ihn langsam zum Krankenwagen auf dem Parkplatz.
    Fünfzehn Minuten später fanden die Taucher auch Rosie und legte sie ebenfalls zunächst auf den Sand. Sie war eine verschlossene Person gewesen, und nur Stan hatte es geschafft, hinter die Fassade zu dringen, die sie der Welt präsentierte, aber sie war sechs Monate ein Teil unseres Lebens gewesen, und ich war für ihren Tod ebenso verantwortlich wie für den von Stan. Bevor sie den Leichensack schlossen, trat Marla vor, strich Rosie das Haar glatt und richtete ihren Kragen, damit er den Hals besser bedeckte.
    Danach gab es nichts mehr, was uns am See gehalten hätte. Die Polizei würde zusammenpacken, die Leichen in die Gerichtsmedizin nach Burton geschafft werden, wo eine Autopsie stattfinden würde, und irgendwann später würden sie Stan und Rosie zur Bestattung freigeben. Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause, die Tür hinter mir schließen und die Welt aussperren, doch als Marla und ich gerade über den Grünstreifen zum Pick-up gingen, ertönte ein Schrei der beiden Taucher, die noch im Wasser waren. Wir drehten uns um und sahen, dass sie ihrer schwimmenden Einsatzzentrale winkten. Sie waren weit draußen auf dem See, fast direkt an der Felswand, daher sah man nicht, was sie da knapp unter der Oberfläche festhielten. Doch ich hatte das übelkeiterregende Gefühl, als wüsste ich genau, was sie gefunden hatten.
    Marla hielt meinen Arm fest, als wir dort auf dem flachen Grünstreifen standen und uns weder bewegen noch wegsehen konnten, als ein dritter Leichnam aus dem Wasser gezogen und ans Ufer transportiert wurde. Die Polizei, die keinen Grund hatte, diesen Toten mit uns in Verbindung zu bringen, schenkte uns keine Beachtung und entlud den Leichnam nicht ganz so feierlich wie die ersten beiden.
    Dieser neue Leichnam befand sich in einem wesentlich schlechteren Zustand als Stan und Rosie. Ohne die Reste des Anzugs, die an ihm hingen, wäre es schwierig gewesen, ihn von unserer Position aus überhaupt als Menschen zu identifizieren. Es handelte sich um ein weißes, aufgeblähtes Etwas, vom Kopf bis zu den Zehen gekrümmt wie der Rücken eines weißen Wals. Wo das Fleisch unbedeckt blieb, sah man überall Hautfetzen, die sich abschälten. Der Kopf war größer, als er sein sollte, das Haar fast vollständig verschwunden.
    Aber Marla und ich wussten genau, um wen es sich handelte.
    Ich ging einen Schritt vorwärts, doch Marla hielt mich fest. Sie blickte mit großen Augen ängstlich drein. »Ich kann das nicht«, flüsterte sie. »Ich würde mich verraten.«
    »Wenn sie etwas über dich und ihn wüssten, wären sie zu dir gekommen, als es passiert ist.«
    »Ich weiß, aber ich kann das trotzdem nicht, Johnny. Ich kann es nicht.«
    »Okay, fahr nach Hause und warte dort auf mich. Ich finde schon eine Mitfahrgelegenheit.«
    Ich gab ihr die Schlüssel des Pick-ups und küsste sie hastig. Sie nickte, doch ihr Gesicht sah aschfahl aus. Ich wusste nicht, ob sie überhaupt etwas registrierte, außer der Angst, sie könnte mit Rays Tod in Zusammenhang gebracht werden. Sie ging zum Pick-up, gab sich dabei größte Mühe, so zu tun, als gingen die Ereignisse am Strand sie nichts an, und fuhr weg, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Inzwischen lagen alle Boote am Strand. Die Polizisten und Taucher standen in einem engen Kreis um den Leichnam herum. Mehrere sprachen in ihre Funkgeräte und meldeten den unerwarteten Fund an ihre jeweiligen Vorgesetzten. Als ich näher kam, hielt der Polizist aus Oakridge, der vorgeschlagen hatte, wir sollten auf den Felsen warten, die Hand hoch und versperrte mir den Weg.
    »Tut mir leid, aber Sie dürfen da nicht hin.«
    Doch jetzt sah ich den Leichnam klar und deutlich. Ich hob die Hand zum Mund und stöhnte. »Das ist mein
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