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Emmas Story

Emmas Story

Titel: Emmas Story
Autoren: Miriam Muentefering
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während der gut aussehende Mitzwanziger mir die Hand entgegenstreckt, stöhne ich innerlich auf.
    Daniel ist nicht nur knackig und für einen Mann ungewöhnlich gut aussehend. Er riecht auch nach frischer Dusche und spricht mit einer auffallend tiefen Stimme, die dem armen Armin neben mir wahrscheinlich in diesem Augenblick bereits die Gänsehaut auf Arme und Beine jagt.
    Daniel glotzt mich für einen Moment mit diesem gewissen Blitzen in den blauen Augen an und wendet sich dann an Armin. »Hast wohl Verstärkung mitgebracht.« Dazu schüttelt er Armins Hand.
    »So ähnlich«, bringt mein lieber Freund heraus.
    Armin ist mit seinen 36 Jahren immer noch so schüchtern wie ein Teenager. Ich glaube, es liegt daran, dass er eine Nase wie Barbra Streisand hat. Leider kann ihn die Ähnlichkeit mit seinem Idol nicht trösten. Hat ihn doch seine gesamte Jugendzeit ein gewisser Spruch begleitet, der maßgeblich Einfluss auf sein Selbstwertgefühl genommen zu haben scheint: An der Nase eines Mannes erkennt man seinen Johannes.
    »Bestimmt willst du als Erstes das Zimmer sehen. Gregor kommt gleich dazu. Er hat grad einen Anruf bekommen.«
    Also sehen wir uns zu dritt das angebotene Eckzimmer an.
    Wirklich hübsch das Ganze.
    Auch die Küche, in der wir uns zusammen mit Gregor zu einem Kaffee niederlassen, macht einen gemütlichen, sauberen und aufgeräumten Eindruck.
    Ich kann Armin ansehen, dass er beeindruckt ist. Denn offenbar handelt es sich bei Daniel und Gregor um Heteros. Gregor erzählt nämlich von seiner Freundin, mit der er gerade telefoniert hat. Bisher vertrat Armin immer die Meinung, Hetero-Männer seien nicht in der Lage, einen Haushalt ungezieferfrei zu halten.
    Die drei sind sich sympathisch und vereinbaren, nach einem »Drüber-Schlafen«, morgen zu telefonieren.
    Als wir unter fröhlichen Verabschiedungsfloskeln die Wohnung verlassen, komme ich mir plötzlich ziemlich scheußlich vor.
    Das ist mir noch nie passiert.
    Ich meine, es ist eine Art Geschäft, was wir betreiben. Wir schauen uns Wohnungen an. Dazu gehört natürlich auch eine gewisse Verbindlichkeit, die man kurzfristig eingeht. Da ist gar nichts dabei, wenn wir so tun als ob und die anderen sich Telefonnummern notieren, Hände schütteln, lächeln, sich an einer sympathischen Begegnung freuen.
    Dass wir gar nicht wirklich in all diese Wohnungen ziehen wollen, wissen die anderen ja nicht. Sie werden es nie erfahren.
    Bei unseren Absagen sind wir stets freundlich, höflich und sehr bedauernd. Meist haben wir die ideale Wohnung just am gleichen Tag noch gefunden. Eine Wohnung, bei der irgendetwas noch perfekter ist. Die Vermieter wahrscheinlich nicht, nein, die wohl nicht, aber die Wohnung liegt eben näher zur Arbeit, ist kleiner, größer, mit Terrasse oder Garten oder Balkon oder einem Zimmer mehr oder weniger, mit Parkett oder Laminat oder Teppich … es muss nur glaubwürdig klingen.
    Und schon beendet man diese kurze Verbindlichkeit mit ein paar freundlichen Sätzen, wünscht wunderbare neue Mieter und alles Gute für die Zukunft und legt auf.
    Das gehört zum Geschäft dazu. Zu unserem Hobby. Und ich habe es noch nie infrage gestellt.
    Trotzdem fühle ich mich zum ersten Mal in meiner Besichtigungslaufbahn mulmig, als Daniel und Gregor noch einmal kurz winken, bevor sich die Wohnungstür schließt.
    Armin räuspert sich vernehmlich und steigt vor mir die Treppe hinab.
    »Hübsches Zimmer«, sagt er und kratzt sich am Kinn.
    Das kenn ich. Armin kratzt sich nur am Kinn, wenn ihm etwas unangenehm oder peinlich ist.
    Ich will ihm gerade zuwispern, ob er sich auch mit einem Mal so scheußlich fühlt, als auf dem zweiten Absatz eine junge Frau aus der Tür tritt. Sie stolpert über die Fußmatte und fällt fast hin. Und ich fast auf sie drauf, denn irgendwie ist da plötzlich eine Stufe mehr als erwartet.
    Wir fangen uns beide, entschuldigen uns stammelnd, blicken auf, sehen uns an, verstummen.
    »Emma?«, sagt die Frau und starrt ungläubig.
    »Lu?«, erwidere ich und starre genauso.
    »Lu«, wiederholt sie langsam und verklärt, als sei das Wort ein noch nicht gekanntes, soeben zum ersten Mal gekostetes Bonbon. Dabei ist es doch nur ihr Name.
    Armin blickt fasziniert von mir zu ihr und zurück.
    »Was machst du denn hier? Wohnst du etwa hier?«, will ich rigoros wissen, was normalerweise nicht meine Art ist. Aber diese Begegnung wirft mich völlig aus dem Gleichgewicht. Oben ist unten. Links ist rechts. Vorn hinten. Wie kommt sie hierher? Ich hab
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