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Emilia Galotti

Emilia Galotti

Titel: Emilia Galotti
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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-Und wieder eine! - Ha! (wie in der Entzückung) welch eine himmlische Phantasie! Wann wir einmal alle, - wir, das ganze Heer der Verlassenen, -wir alle in Bacchantinnen, in Furien verwandelt, wenn wir alle ihn unter uns hätten, ihn unter uns zerrissen, zerfleischten, sein Eingeweide durchwühlten, - um das Herz zu finden, das der Verräter

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    einer jeden versprach, und keiner gab! Ha! das sollte ein Tanz werden! das sollte!

Achter Auftritt
    (Claudia Galotti. Die Vorigen)

    CLAUDIA(die im Hereintreten sich umsiehet, und sobald sie ihren Gemahl erblickt, auf ihn zuflieget). Erraten! - Ah, unser Beschützer, unser Retter! Bist du da, Odoardo? Bist du da? - Aus ihren Wispern, aus ihren Mienen schloß ich es. -
    Was soll ich dir sagen, wenn du noch nichts weißt? -Was soll ich dir sagen, wenn du schon alles weißt? - Aber wir sind unschuldig. Ich bin unschuldig. Deine Tochter ist unschuldig. Unschuldig, in allem unschuldig!
    ODOARDO(der sich bei Erblickung seiner
    Gemahlin zu fassen gesucht). Gut, gut. Sei nur ruhig, nur ruhig, - und antworte mir. (Gegen die Orsina) Nicht Madame, als ob ich noch zweifelte
    - Ist der Graf tot?
    CLAUDIA. Tot.
    ODOARDO.Ist es wahr, daß der Prinz heute Morgen Emilien in der Messe gesprochen?

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    CLAUDIA. Wahr. Aber wenn du wüßtest, welchen
    Schreck es ihr verursacht; in welcher Bestürzung sie nach Hause kam -
    ORSINA. Nun, hab' ich gelogen?
    ODOARDO(mit einem bittern Lachen). Ich
    wollt' auch nicht, Sie hätten! Um wie vieles nicht!
    ORSINA. Bin ich wahnwitzig?
    ODOARDO(wild hin und her gehend). O, -
    noch bin ich es auch nicht.
    CLAUDIA.Du gebotest mir ruhig zu sein; und ich bin ruhig. - Bester Mann, darf auch ich - ich dich bitten -
    ODOARDO.Was willst du? Bin ich nicht ruhig?
    Kann man ruhiger sein, als ich bin? - (Sich zwin-gend) Weiß es Emilia, daß Appiani tot ist?
    CLAUDIA. Wissen kann sie es nicht. Aber ich fürchte, daß sie es argwohnet; weil er nicht erscheinet. -
    ODOARDO.Und sie jammert und winselt -
    CLAUDIA. Nicht mehr. - Das ist vorbei: nach Ihrer Art, die du kennest. Sie ist die Furchtsams-te und Entschlossenste unsers Geschlechts. Ihrer 120
    ersten Eindrücke nie mächtig; aber nach der geringsten Überlegung, in alles sich findend, auf alles gefaßt. Sie hält den Prinzen in einer Entfernung; sie spricht mit ihm in einem Tone -
    Mache nur, Odoardo, daß wir wegkommen.
    ODOARDO.Ich bin zu Pferde. - Was zu tun? -
    Doch, Madame, Sie fahren ja nach der Stadt zurück?
    ORSINA. Nicht anders.
    ODOARDO.Hätten Sie wohl die Gewogenheit, meine Frau mit sich zu nehmen?
    ORSINA. Warum nicht? Sehr gern.
    ODOARDO.Claudia, - (ihr die Gräfin bekannt machend) Die Gräfin Orsina; eine Dame von großem Verstande; meine Freundin, meine
    Wohltäterin. -Du mußt mit ihr herein; um uns sogleich den Wagen heraus zu schicken. Emilia darf nicht wieder nach Guastalla. Sie soll mit mir.
    CLAUDIA. Aber - wenn nur - Ich trenne mich ungern von dem Kinde.
    ODOARDO.Bleibt der Vater nicht in der Nähe?
    Man wird ihn endlich doch vorlassen. Keine Einwendung! - Kommen Sie, gnädige Frau. (Lei-121
    se zu ihr) Sie werden von mir hören. - Komm, Claudia. (Er führt sie ab)

    Fünfter Aufzug
    (Die Szene bleibt)

Erster Auftritt
    (Marinelli. Der Prinz)

    MARINELLI. Hier, gnädiger Herr, aus diesem Fenster können Sie ihn sehen. Er geht die Arka-de auf und nieder. - Eben biegt er ein; er kömmt. - Nein, er kehrt wieder um. - Ganz einig ist er mit sich noch nicht. Aber um ein großes ruhiger ist er, -oder scheinet er. Für uns gleich viel! - Natürlich! Was ihm auch beide Weiber in den Kopf gesetzt haben, wird er es wagen zu äu-
    ßern? - Wie Battista gehört, soll ihm seine Frau den Wagen sogleich heraus senden. Denn er kam zu Pferde. - Geben Sie Acht, wenn er nun vor Ihnen erscheinet, wird er ganz untertänigst Eurer Durchlaucht für den gnädigen Schutz 122
    danken, den seine Familie bei diesem so traurigen Zufalle hier gefunden; wird sich, mit samt seiner Tochter, zu fernerer Gnade empfehlen; wird sie ruhig nach der Stadt bringen, und es in tiefster Unterwerfung erwarten, welchen weitern Anteil Euer Durchlaucht an seinem unglücklichen, lieben Mädchen zu nehmen geruhen wollen.

    DER PRINZ. Wenn er nun aber so zahm nicht ist? Und schwerlich, schwerlich wird er es sein.
    Ich kenne ihn zu gut. - Wenn er höchstens seinen Argwohn erstickt, seine Wut verbeißt; aber Emilien, anstatt sie nach der Stadt zu fahren, mit sich nimmt? bei sich behält? oder wohl gar in ein Kloster, außer meinem Gebiete,
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