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Emilia Galotti

Emilia Galotti

Titel: Emilia Galotti
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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mehr, für mich? - Beschäftiget? womit denn? Nicht allein? wer wäre denn bei ihm? -
    Kommen Sie, Marinelli; aus Barmherzigkeit, lieber Mari-nelli! Lügen Sie mir eines auf eigene Rechnung vor. Was kostet Ihnen denn eine Lü-
    ge? - Was hat er zu tun? Wer ist bei ihm? - Sagen Sie mir; sagen sie mir, was Ihnen zuerst in den Mund kömmt, -und ich gehe.
    MARINELLI(vor sich). Mit dieser Bedingung, kann ich ihr ja wohl einen Teil der Wahrheit sagen.

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    ORSINA. Nun? Geschwind, Marinelli; und ich gehe. - Er sagte ohnedem, der Prinz: »Ein andermal, meine liebe Gräfin!« Sagte er nicht so? -
    Damit er mir Wort hält, damit er keinen Vorwand hat, mir nicht Wort zu halten: geschwind, Mari-nelli, Ihre Lüge; und ich gehe.
    MARINELLI. Der Prinz, liebe Gräfin, ist wahrlich nicht allein. Es sind Personen bei ihm, von denen er sich keinen Augenblick abmüßigen kann; Personen, die eben einer großen Gefahr entgangen sind. Der Graf Appiani -
    ORSINA. Wäre bei ihm? - Schade, daß ich über diese Lüge Sie ertappen muß. Geschwind eine andere. - Denn Graf Appiani, wenn Sie es noch nicht wissen, ist eben von Räubern erschossen worden. Der Wagen mit seinem Leichname be-gegnete mir kurz vor der Stadt. - Oder ist er nicht? Hätte es mir bloß geträumet?
    MARINELLI. Leider nicht bloß geträumet! -
    Aber die andern, die mit dem Grafen waren, haben sich glücklich hierher nach dem Schlosse gerettet: seine Braut nämlich, und die Mutter der Braut, mit welchen er nach Sabionetta zu seiner feierlichen Verbindung fahren wollte.

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    ORSINA. Also die? Die sind bei dem Prinzen?
    die Braut? und die Mutter der Braut? - Ist die Braut schön?
    MARINELLI. Dem Prinzen geht ihr Unfall un-gemein nahe.
    ORSINA. Ich will hoffen; auch wenn sie häßlich wäre. Denn ihr Schicksal ist schrecklich. - Armes, gutes Mädchen, eben da er dein auf immer werden sollte, wird er dir auf immer entrissen! -
    Wer ist sie denn, diese Braut? Kenn' ich sie gar? -
    Ich bin so lange aus der Stadt, daß ich von nichts weiß.
    MARINELLI.Es ist Emilia Galotti.
    ORSINA. Wer? - Emilia Galotti? Emilia Galotti?
    -Marinelli! daß ich diese Lüge nicht für Wahrheit nehme!
    MARINELLI.Wie so?
    ORSINA. Emilia Galotti?
    MARINELLI. Die Sie schwerlich kennen werden -
    ORSINA. Doch! doch! Wenn es auch nur von heute wäre. - Im Ernst, Marinelli? Emilia Galotti? -Emilia Galotti wäre die unglückliche Braut, die der Prinz tröstet?

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    MARINELLI (vor sich). Sollte ich ihr schon zu viel gesagt haben?
    ORSINA. Und Graf Appiani war der Bräutigam dieser Braut? der eben erschossene Appiani?
    MARINELLI. Nicht anders.
    ORSINA. Bravo! o bravo! bravo! (in die Hände schlagend)
    MARINELLI.Wie das?
    ORSINA. Küssen möcht' ich den Teufel, der ihn dazu verleitet hat!
    MARINELLI. Wen? verleitet? wozu?
    ORSINA. Ja, küssen, küssen möcht' ich ihn -
    Und wenn Sie selbst dieser Teufel wären, Marinelli.
    MARINELLI. Gräfin!
    ORSINA. Kommen Sie her! Sehen Sie mich an!
    steif an! Aug' in Auge!
    MARINELLI.Nun?
    ORSINA. Wissen Sie nicht, was ich denke?
    MARINELLI. Wie kann ich das?
    ORSINA. Haben Sie keinen Anteil daran?
    MARINELLI.Woran?
    ORSINA. Schwören Sie! - Nein, schwören Sie nicht. Sie möchten eine Sünde mehr begehen -

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    Oder ja; schwören Sie nur. Eine Sünde mehr oder weniger für einen, der doch verdammt ist! -
    Haben Sie keinen Anteil daran?
    MARINELLI. Sie erschrecken mich, Gräfin.
    ORSINA. Gewiß? - Nun, Marinelli, argwohnet Ihr gutes Herz auch nichts?
    MARINELLI.Was? worüber?
    ORSINA. Wohl, - so will ich Ihnen etwas vertrauen; - etwas, das Ihnen jedes Haar auf dem Kopfe zu Berge sträuben soll. - Aber hier, so na-he an der Türe, möchte uns jemand hören.
    Kommen Sie hieher. - Und! (indem sie den Finger auf den Mund legt) Hören Sie! ganz in geheim! ganz in geheim! (und ihren Mund seinem Ohre nähert, als ob sie ihm zuflüstern wollte, was sie aber sehr laut ihm
    zuschreiet) Der Prinz ist ein Mörder!
    MARINELLI. Gräfin, - Gräfin - sind Sie ganz von Sinnen?
    ORSINA. Von Sinnen? Ha! ha! ha! (aus vollem Halse lachend) Ich bin selten, oder nie, mit meinem Verstande so wohl zufrieden gewesen, als eben itzt. - Zuverlässig, Marinelli; - aber es bleibt unter uns - (Leise) der Prinz ist ein Mörder! des 108
    Grafen Appiani Mörder! - Den haben nicht Räuber, den haben Helfershelfer des Prinzen, den hat der Prinz umgebracht!
    MARINELLI. Wie kann Ihnen so eine Abscheu-lig-keit in den Mund, in die Gedanken kommen?
    ORSINA. Wie? - Ganz natürlich. - Mit dieser Emi-lia Galotti,
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