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Emil

Emil

Titel: Emil
Autoren: Dror Burstein
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fahren Sie noch ein Stückchen, kostet ja nicht mehr, steigen Sie an der Endstation aus, wie sich’s gehört. Doch nicht mitten auf der Straße. Und Joel wird sagen: Das hat was für sich, obwohl er bereits einen Fuß auf die Straße gesetzt hat. Und die Bäume entlang der Levinsky-Straße werden dick und gedrungen sein, ihre Früchte dickschalig, und ein großer Schatten wird über sie hinweg und durch sie hindurch streifen und über die Brücke, dann kleiner werden und verschwinden. Fahren Sie wieder Richtung Norden?, wird Joel fragen, und der Fahrer wird ihm antworten: Woher denn, immer dieselbe Route fahre ich, immer dieselbe Runde, und Joel wird ihm sagen: Wenn das so ist, fahre ich mit Ihnen zurück.

Die Stadt
    In vielen … vielen Jahren und noch mehr Stunden und Sekunden wird über der Stadt eine einzige glatte Eisfläche sein. Über den Bowlingklubs, über dem Basketballstadion mit all seinen Siegen und Niederlagen, über dem höchsten Einkaufszentrum des Nahen Ostens, über dem Meer. Alles von Eis bedeckt. Und da ist niemand, der Eis läuft, niemand, der Schneemänner mit Schneebällen bewirft. Niemand überquert den Bosporus zu Fuß, und niemand schläft in einen dicken Pelz gehüllt in einem Schlitten zwischen Sizilien und Italien ein. Nichts außer Wind und Stille. Ein im Flug erfrorener Vogel ist auf die Ebene gestürzt und zerborsten. Wind und Stille und Eis. Unter Füßen, die es nicht mehr gibt, die sich nicht fortbewegen, liegen erfrorene Fischschwärme. Sitzen, erfroren und erstarrt, auf Stühlen. Schwimmen nicht, laichen nicht, in der Kälte.

[ ] und [ ]
    Einmal feierten sie seinen Geburtstag. Nein, mehr als einmal. Als er fünf war und zehn. Als er fünf war, buk [ ] ihm einen Kuchen, zündete Kerzen an. Ein Stuhl blieb leer. Sie saßen da, kauten am Kuchen. Feuchter Dunst lag über der Wohnung.
    Mit zehn nochmals ein Kuchen. Derselbe Stuhl. Eigentlich der gleiche Kuchen. Sie hatte das Rezept noch. Aber diesmal holten sie eine Art Puppe herbei und setzten sie hin. Die heißen Kerzen tropften auf die Schokoladeglasur. Sie warfen den Kuchen als Ganzes in den Müll. Mitsamt der Kerzen und all dieser ekligen Zuckerperlen.
    Am nächsten Morgen war die Puppe verschwunden.

Joel
    Mit den Jahren wurde es immer deutlicher, wie unähnlich Emil seinen Eltern war. Solange er ein Baby war, konnte man noch so tun, als würde sich seine Hautfarbe noch ändern, als sei es eine momentane, vorübergehende, säuglingshafte Pigmentstörung. Doch als Emil mit drei Jahren zwischen ihnen ging, stach die Diskrepanz jedermann ins Auge. Die Kinder zeigten auf ihn, und die Eltern beugten sich erklärend zu ihnen herab. Nein, nicht mit dem Finger zeigen …
    Zu Hause herrschte ein innerer Widerspruch. Für lange Jahre hatte sich ein Gast zur Familie gesellt.
    Eines Tages ging Joel zum Friseur und ließ sich das Haar rabenschwarz färben. Doch noch am selben Tag ließen seine hellen Bartstoppeln das Manöver auffliegen, und von da an rasierte er sich zweimal täglich, sodass die Stoppel nicht hervorkommen konnten.
    Schweigend hatte Lea am Eingang des Friseurladens gestanden, halb ins Freie gelehnt. Das Gesicht abgewandt vom scharfen Geruch.
    Am nächsten Morgen stand er wieder auf, ging zum Boulevard hinab, überquerte die Straße und bestieg erneut ein Linientaxi Nummer 5. Befühlte die Fünf-Schekel-Münze. Eine Zinnmünze, dachte er, eindeutig eine Zinnmünze, zahlte beim Fahrer mit der Fünfermünze, und obgleich er Anrecht auf einen Schekel Seniorenermäßigung hatte, verlangte er sie nicht, und einen Augenblick lang empfand er Befriedigung darüber, dass der Fahrer ihm auch diesmal keine Ermäßigung anbot und nicht, wie die meisten Fahrer, einen Schekel herausgab. (In Wirklichkeit war die Ermäßigung im Januar abgeschafft worden, doch das wusste er nicht, und es würde noch einige Zeit vergehen, bis er – im August erst – nachfragen würde, Sagen Sie, bekomme ich keine Seniorenermäßigung?, und der Fahrer würde ihn ansehen und sagen, Soll das ein Witz sein? Seit Januar ist es aus damit, Senioren oder nicht, jetzt sind alle Senioren.) Er saß mit dem Blick zum Fenster, als das Taxi wild einen Bus überholte und in die Dizengoff-Straße einbog. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, mit geschlossenen, zuweilen auch mit offenen Augen den Zitrushain zu sehen, der einmal dort gewesen war, wo sich jetzt einige Brautkleidersalons drängten, aber es interessierte ihn nicht. Wie er dieses
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