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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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loswerden.«
    »Gehen wir zum Pier«, schlug Kate vor. »Vielleicht ist das Boot ja schon da.«
    »Klar. Das Boot ins Nirgendwo.«
    Pier 12 war lang und schmal, mit etlichen bröckelnden und verrotteten Latten. Er schob sich über die Eisfläche in Ufernähe hinaus ins offene Wasser und die Kinder gingen bis zum Ende. Dort kauerten sie sich zusammen wie Pinguine und zogen ihre
Mäntel enger um ihre Leiber, um sich gegen den bitterkalten Wind zu schützen, der vom See aus wehte.
    Kate schaute zur Sonne. Sie waren den ganzen Tag lang unterwegs gewesen und schon bald würde es dunkel und noch kälter werden. Trotz Emmas Behauptung, Miss Crumley würde sie ins Nirgendwo schicken, und trotz der Tatsache, dass anscheinend noch nie jemand etwas von Cambridge Falls gehört hatte, glaubte Kate immer noch, dass das Boot kommen würde. Miss Crumleys Gemeinheit erschöpfte sich darin, dass sie Kinder zwickte und an den Haaren zog und ihnen täglich einredete, sie seien wertlos. Drei Kinder mitten im Winter auszusetzen, war nichts, was dieser kleinlichen Frau einfallen würde. Zumindest wollte Kate sich das einreden.
    »Seht mal«, sagte Michael.
    Eine dichte Nebelwand rollte über den See.
    »Die ist echt schnell.«
    Er hatte das letzte Wort noch nicht richtig ausgesprochen, da waren sie schon vom Nebel eingehüllt. Die Kinder hatten auf ihren Taschen gesessen. Jetzt standen sie auf und starrten in das Grau. Nasse Perlen sammelten sich auf ihren Mänteln. Alles war totenstill.
    »Das ist irgendwie unheimlich«, sagte Emma.
    »Pst!«, zischte Michael.
    »Fang bloß nicht so an! Du …«
    »Nein, hört doch mal!«
    Es war das Brummen eines Motors.
    Aus dem Nebel tauchte ein Boot auf, kam direkt auf sie zu. Als es sie fast erreicht hatte, wurde der Rückwärtsgang eingelegt und dann der Motor abgestellt, sodass das Gefährt sanft am Pier andockte. Es war ein kleines, breites Boot. Die schwarze Farbe
des Rumpfs war rissig und blätterte ab. An Bord war ein einziger Mann. Mit geschickten Bewegungen schlang er ein Seil um den nächsten Poller.
    »Wollt ihr drei nach Cambridge Falls?«
    Der Mann hatte einen dichten schwarzen Bart, und seine Augen saßen so tief in den Höhlen, dass sie fast unsichtbar waren.
    »Ich habe gefragt, ob ihr drei nach Cambridge Falls wollt.«
    »Ja«, sagte Kate. »Ja, das … das wollen wir.«
    »Dann rein mit euch. Wir haben nicht viel Zeit.«
    Hinterher waren sich die Kinder uneins darüber, wie lang ihre Fahrt dauerte. Michael meinte, eine halbe Stunde, Emma war sich sicher, dass es nur fünf Minuten gewesen waren, und Kate hätte schwören können, dass sie mindestens eine Stunde lang im Boot waren. Vielleicht sogar zwei. Es war, als ob der Nebel nicht nur ihren Augen einen Streich spielte, sondern auch ihrem Zeitgefühl. Einig waren sie sich lediglich darüber, dass irgendwann einmal eine dunkle Küstenlinie aus dem Nebel auftauchte und dass sie, als sie näher kamen, ein Dock und die Gestalt eines Mannes erkennen konnten, der dort auf sie wartete.
    Der Bootsführer warf dem Mann ein Seil zu. Kate sah, dass er alt war, einen ordentlich gestutzten weißen Bart hatte, einen ordentlichen, wenn auch abgetragenen braunen Anzug und ordentlich gepflegte kleine Hände. Selbst sein kleiner Schädel hatte das Haupthaar vermutlich nur aus dem Grund abgeworfen, weil eine Glatze ordentlicher aussah. Er verschwendete keine Zeit für Begrüßungen. Er nahm Michaels und Emmas Taschen, sagte: »Hier entlang«, und humpelte davon.
    Michael und Emma kletterten aus dem Boot. Kate wollte ihnen schon folgen, als sie eine Hand auf ihrer Schulter fühlte. Es war der Bootsführer.

    »Seid auf der Hut an diesem Ort. Pass auf deine Geschwister auf.«
    Noch ehe sie fragen konnte, was er damit meinte, hatte er das Boot schon losgebunden, stieß sich ab und zwang sie so, an Land zu springen.
    »Beeilung!«, kam eine Stimme durch den Nebel.
    »Komm schon!«, rief Emma. »Das musst du dir ansehen.«
    Kate rührte sich nicht. Sie stand da und sah zu, wie das Boot mit dem grauen Nebel verschmolz.
    Sie widerstand dem Verlangen, es zurückzurufen, ihre Geschwister zu nehmen, nach Baltimore zurückzukehren und Miss Crumley zu erklären, dass sie es mit der Schwanendame versuchen würden.
    Jemand nahm sie am Arm.
    »Wir müssen uns beeilen«, sagte der alte Mann. »Wir haben nicht viel Zeit.«
    Und er nahm auch ihre Tasche und scheuchte sie zu Michael und Emma, die in einem Pferdekarren saßen und bis über beide Ohren grinsten.
    »Guck
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