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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition)
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Luftmatratzen und Limonadenflaschen, an den See.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Lorenz mir meinen schüchtern vorgetragenen Wunsch erfüllen würde, doch er hockte neben mir auf dem Brückengeländer. Wir schwitzten fürchterlich. Das Rauschen des Baches klang verlockend, ich wollte hinabsteigen und wenigstens eine Minute meine Füße in das kühle Nass halten. Aber dort unten verlor man die Straße aus den Augen, und auf der Straße lag meine ganze Sehnsucht.
    Vielleicht war es die Hitze, vielleicht meine angespannten Nerven oder tatsächlich ihre Holzclogs, die den Asphalt zum Vibrieren brachten.
    Elsa, ein näher kommender Punkt am Horizont.
    Sie ähnelte weder Poison Ivy noch Catwoman, und nichts erinnerte an die goldene Schönheit ihrer Mutter.
    Ein kleines Mädchen mit Streichholzarmen. Lange, gelockte braune Haare, glanzlos wie angelaufene Bronze.
    Ihr magerer Oberkörper steckte in einer viel zu großen, durchsichtigen Taftbluse. Nachtblau. Dort, wo ein Frauenbusen hingehörte, labberte ein leeres Bikini-Oberteil. Die kurze Baumwollhose, grün mit weißen Herzchen, und die hölzernen Kinderclogs ließen die elegante Bluse noch grotesker erscheinen.
    Um ihre Waden und Fesseln, die kräftiger wirkten als der Rest des Körpers, waren gleich den Gamaschen eines Pferdes bunte Bänder gewickelt.
    Ich hätte enttäuscht sein müssen. Aber mitnichten. In meinen Augen war Elsa vollkommen, und sollte sie jemals auf meinem Gesicht sitzen wollen, ich würde sie lassen.
    Mit fest zusammengepressten Lippen marschierte sie an uns vorbei. So nah, dass mir der Duft von Mathildes Parfum in die Nase stieg. Elsa würdigte uns keines Blickes. Wir sahen ihr hinterher. Nach wenigen Metern drehte sie um, überquerte die Straße und lief nun auf der anderen Seite auf und ab, auf und ab.
    »Sollen wir zu ihr gehen?«, fragte ich Lorenz hoffnungsvoll.
    »Nee, wenn sie was will, kann sie ja kommen.«
    Schon bald verlor er die Geduld und griff nach seinem Schwimmbeutel, der am Brückenpfeiler hing. Reglos verharrte ich auf meinem Platz.
    »Karl, was ist?«
    Aber ich konnte ihm nicht folgen. Nicht dieses Mal. Schwer zu sagen, wen von uns beiden das mehr überraschte.
    Allein, ohne Lorenz, traute ich mich nicht einmal, zu ihr hinüberzusehen. Mit gesenktem Kopf lauschte ich dem gleichmäßigen Klackern ihrer Schuhe. Holz auf Asphalt. Einen Moment setzte das Klonk aus. Stille. Dann kehrte es zurück, wurde lauter und lauter. Änderte seine Farbe: Holz auf Holz. Die Brücke erzitterte. Noch immer wagte ich es nicht, mich aufzurichten, sah nur ihre Clogs, die bunten Bänder und ein Paar verschrammte Knie. Sie musste in Mathildes Parfum gebadet haben, der Geruch verschlug einem fast den Atem.
    »Wie heißt du?« Elsas Stimme war tief und der Tonfall fordernd. Langsam blickte ich zu ihr hoch. »Ka… Karl.«
    Zwei braune Augen verengten sich zu Schlitzen. »Karl… Ich glaube, ich werde dich Fetti nennen. Du bist nämlich ziemlich fett, Fetti.«
    Ich protestierte nicht, nein, ich lächelte. Dankbar, dass sie mir überhaupt einen Namen gab, dass sie mich nennen wollte.
    »Und was ist mit deinen Haaren los? Sieht ganz schön eklig aus.«
    »Ich… Ich muss sie kämmen.«
    »Ja, das musst du wohl. Wie alt bist du, Fetti?«
    »Acht.«
    »Pfff«, machte Elsa. »Dann bist du ja noch ein ganz kleines Kind.«
    »Und du?«
    »Ich bin schon elf.«
    Elsa setzte sich neben mich, lehnte sich weit zurück und ließ sekundenweise die Hände los. Ihre Knie bebten vor Anstrengung.
    »Wenn du fällst und mit dem Hinterkopf aufschlägst, bist du tot«, gab ich zu bedenken.
    »Ach ja, Fetti, und glaubst du etwa, ich hab Angst?«
    »Nein. Ich wollte nur…«
    »Wo ist der andere Junge hingegangen?«
    »Zum See… Er heißt Lorenz, er ist mein großer Bruder.«
    »Weiß ich. Ich weiß sogar noch viel mehr. Deine Mutter war verrückt und ist vom Balkon gesprungen.«
    »Sie war nicht verrückt.«
    »Nein? Hört man hier aber so.«
    Elsa hüpfte vom Geländer, baute sich vor mir auf und bohrte einen ihrer unordentlich rotlackierten Finger in meinen Bauch.
    »Hast du Geld, Fetti?«
    »Nein.«
    »Ich brauche aber Geld.«
    »Wofür?«
    »Geht dich eigentlich gar nichts an. Aber wenn du es unbedingt wissen willst. Stiefel.«
    »Stiefel?«
    »Ja, Stiefel. Sie kosten 160   Mark.«
    »So viel?«
    Sie nickte. »Also, Fetti, überleg dir, wo du 160   Mark herkriegst. Oder willst du mir nicht helfen?«
    »Doch!«, schrie ich unangemessen laut, um sie von meiner
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