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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition)
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Murmeltier zündete sich eine Zigarre an. »Sechs Tage Pisa. Sechs Tage Concetta.«
    »War Concetta die mit dem größten Arsch Italiens?«, fragte ich.
    »Genau. Concettas riesiger Hintern. Was hat mir dieser Arsch für Vergnügen bereitet. Und ich wäre auch noch länger als sechs Tage bei ihr geblieben, aber der werte Ehemann kehrte früher als geplant von seiner Geschäftsreise zurück. Merkt euch das: Sie kommen immer früher als geplant zurück. Regen prasselte sanft gegen die Fensterscheiben, und Concetta saß auf meinem Gesicht…«
    »Warum saß sie denn auf deinem Gesicht?«, wollte Lorenz wissen.
    »Oh, das tun die Weiber gerne. Die meisten trauen sich nicht, aber Concetta…«
    »War sie nackt?«, hakte ich nach.
    »Natürlich!«
    Mein Bruder und ich fanden diese Vorstellung gleichermaßen eklig wie lustig und prusteten los.
    »Also, sie saß auf meinem Gesicht«, fuhr das Murmeltier fort, als wir uns wieder eingekriegt hatten, »und man hört nicht viel, eingeklemmt zwischen zwei Schenkeln. Gedämpft drangen ihr Stöhnen und das Trommeln der Regentropfen an mein Ohr. Ein Lied, zu dem meine Zunge tanzte. Und was für ein Tanz, liebe Kinder. Was für ein Tanz! Das Krachen der ins Schloss fallenden Haustür zerstörte die perfekte Harmonie. Ich wollte aufspringen und davonlaufen, aber Concetta gab mich nicht frei. ›Mach weiter… Hör nicht auf. Hör nicht auf‹, flehte sie. Erst als ihr Ehemann im Schlafzimmer stand, ließ sie von mir ab. Er begriff nicht sofort, was er da sah. Ich nutzte sein Zögern, nahm meine Sachen und rannte los. Nackt stolperte ich die Treppen hinunter und glaubte, noch einmal davongekommen zu sein. Zu früh. Concettas winziger Mann – er maß gerade mal einen Meter sechzig – war schneller und stärker, als er aussah. Auf der Straße, genau vor der Haustür, packte er mich und schlug mir ohne Vorwarnung ins Gesicht.« Das Murmeltier deutete auf die Lücke in seinem Mund. »Der Schneidezahn geht auf sein Konto. Wieder holte er aus. Ich duckte mich rechtzeitig und haute ihm mit voller Wucht den Schuh, den ich in meiner Rechten hielt, auf den Kopf. Der kleine Mann sank auf den nassen Asphalt. Ich kontrollierte seinen Pulsschlag. Am Fenster zeigte sich Concetta, das Teufelsweib. ›Ist er tot?‹, rief sie.
    ›Nein. Nur bewusstlos.‹
    ›Dann lass ihn liegen und komm wieder hoch, Amore. Nur zwei Minuten. Zwei Minuten.‹
    Der Tumult hatte sämtliche Nachbarn herbeigelockt. Und die Herrschaften machten sich ihren eigenen Reim auf das Bild, das sich ihnen darbot. Für sie gab es nur einen Übeltäter – den nackten Fremden auf der Straße. Concetta schloss das Fenster und überließ mich meinem Schicksal. Ich rannte. Ich rannte um mein Leben. Zu Fuß lief ich bis nach Florenz. Ohhh, Florenz…« Das Murmeltier betrachtete die erloschene Zigarre in seiner Hand, zündete sie wieder an und pustete eine Rauchwolke in die Luft. »Kinder, Ohren zuhalten.«
    Wir stopften nachlässig unsere Finger in die Ohren.
    »Könnt ihr mich noch hören?«
    »Nein«, antworteten wir im Chor.
    »Wirklich nicht?«
    »Wirklich nicht.«
    Er zog kräftig an seiner Zigarre, bevor er loswetterte. »Verfluchte Schnallen! Verdammte Fotzen! Sie haben mir alles genommen. Alles.«
    Lautlos formten unsere Lippen seine Worte. Wir kannten sie auswendig, es handelte sich um den immer gleichbleibenden Schlusssatz einer jeden Murmeltier-Geschichte.
    »Und jetzt Finger aus den Ohren, das war’s für heute.«
    »Und was war in Ohhh-Florenz…«, drängten wir.
    »Giovanna – aber davon das nächste Mal.« Er küsste zuerst mich und dann Lorenz auf die Stirn. »Gute Nacht und schlaft schön, ihr herrlichen Kinder. Morgen Abend kommt euer Vater nach Hause.« Er knipste das Licht aus und verließ das Zimmer.
    Unsere Betten standen im rechten Winkel zueinander. Auf dem Rücken liegend, konnten wir uns nicht sehen und doch die Nähe des anderen spüren.
    Hannas Sprung, Mathildes Lachen und Concettas riesiges Hinterteil wirbelten in meinem Kopf umher. Aber jeder Gedanke zerbarst, bevor ich ihn erfassen konnte, jedes Bild verschwamm, bevor es Konturen gewann.
    »Lorenz?«
    »Ja?«
    »Ach nichts.«
    Wir atmeten im Gleichklang. Es roch nach Zigarrenrauch und Kinderschweiß.
    »Lorenz?«
    »Was ist denn?«
    »Elsa«, sagte ich, mehr nicht. Dann stand ich auf und legte mich zu meinem Bruder. Kurz darauf schliefen wir ein.
    Am nächsten Tag stieg das Thermometer auf 34   Grad. Sämtliche Feriengäste flüchteten, beladen mit
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