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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition)
Autoren: Astrid Rosenfeld
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unzähligen Mesquitebäumen gesäumte Graslandschaft, weit wie der Himmel, der mir den Schlaf gesandt hatte. Am Ende der nicht asphaltierten Zufahrtsstraße konnte ich – bewacht von seinen zwölf Namensgebern – ein weißes, mehrstöckiges Holzhaus ausmachen. Ich drückte aufs Gas. Wie aus dem Nichts schoss ein schwarzes Pferd mit einem Reiter auf dem Rücken vor mein Auto und zwang mich zu einer Vollbremsung.
    »Bist du wahnsinnig«, schrie ich aus dem heruntergekurbelten Fenster. Ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, galoppierten Tier und Mensch davon.
    Drei Namen prangten neben der Tür: Hinrich. Jäger. Gründgens . Eine Klingel gab es nicht, also klopfte ich. Zaghaft zuerst, dann fester und immer fester.
    »Was soll das?«, schallte es aus dem Haus. Unter tausend Stimmen hätte ich ihre wiedererkannt.
    »Ich bin’s«, rief ich laut, meinen Mund dicht an die grüne Tür gepresst.
    »Wer ist ich? Es ist offen. Komm rein, ›Ich bin’s‹.«
    Ich stand in der Eingangshalle.
    Ein Schritt.
    Rechts das Wohnzimmer.
    Noch ein Schritt.
    Roter Teppich. Massive Holzmöbel, selbst für den riesigen Raum zu wuchtig. An den Wänden gerahmte Ansichten der texanischen Landschaft.
    Über der Lehne des geblümten Sofas baumelte ein Fuß.
    Auf dem blauen Kleid kreisten weiße Schwalben.
    Sie klappte das Buch zu.
    Abgesplitterter Scharlach-Lack.
    Streichholzarme.
    An der Kette hing ein silberner Hundekopf, ein silberner Wolfskopf.
    Ihre wilden Haare heller als früher.
    Nicht mal einen Meter sechzig groß.
    Flachbrüstig.
    Sechsundzwanzig Jahre, drei Monate und neunzehn Tage alt.
    Unverändert und doch so anders.
    Elsa – vollkommen.
    Die Königin des Murmeltiers musterte mich, wusste, dass sie ihr Gegenüber von irgendwoher kannte.
    »Elsa, Ich bin’s. Fetti.«
    Die braunen Augen verengten sich zu Schlitzen, zweifelten, suchten und fanden schließlich den Gefährten ihrer Kindheit.
    »Fetti? Was… Fetti. Du bist so… so nicht fett.«
    Das Mädchen, das jetzt eine Frau war, umarmte mich. Kurz und heftig. Mein Hals schnürte sich zu.
    »Wo ist…? Bist du alleine hier?«
    »Ja. Aber ich habe ein Auto, das sieben Personen bequem Platz bietet.«
    Elsa blickte zu Boden. Die Locken fielen über ihre Schultern. Dann sah sie auf. »Was machst du hier?«
    »Ich war gerade zufällig in der Nähe, und da dachte ich…«
    Sie lachte, schubste mich. »Das hier ist das Ende der Welt, hier landet man nicht zufällig.«
    »Ich wollte dich wiedersehen.« Meine Tränen flossen unaufhaltsam.
    »Fetti, du heulst doch jetzt nicht etwa?«
    »Nein. Ein bisschen vielleicht…. Wo sind deine Krawatten?«
    »Hab’s aufgegeben.« Sie zog das lange Kleid ein Stück hoch. Nackte, braungebrannte Waden. »Hat nicht funktioniert. Aber…«
    Näherkommendes Hufgetrappel ließ Elsa verstummen. Ein Strahlen erhellte ihr Antlitz. Von der Sonne geküsst, dachte ich.
    »Das ist Anton.« Sie schnappte meine Hand und zerrte mich nach draußen.
    Anton. Erst jetzt sah ich das Gesicht, das mir bei unserem Beinah-Zusammenprall verborgen geblieben war.
    Der Junge auf dem schwarzen Pferd – ihr Ebenbild.
    »Ich kann ihn nirgends finden«, rief er verzweifelt, dann bemerkte er mich und den geparkten Chevrolet Tahoe im Hintergrund.
    »Bist du wahnsinnig«, äffte das Kind meine Stimme nach.
    »Hey. Das war gefährlich. Verdammt gefährlich«, verteidigte ich mich.
    »Und glaubst du etwa, ich hab Angst?«
    Ich musste lächeln. »Nein.«
    »Kennt ihr euch?«, fragte Elsa verwundert.
    Wir schüttelten beide den Kopf.
    »Das ist mein Sohn Anton, und das ist mein alter Freund Fetti.«
    »Er heißt Fetti?«
    »Ja. Ich hab ihn so getauft, vor … vor unendlich langer Zeit.«
    Anton lachte, klatschte vor Vergnügen in die Hände. Plötzlich hielt er inne. »Mama, was machen wir jetzt mit Eugen? Er wird sterben da draußen.«
    »Ist Eugen dein Bruder?«, fragte ich besorgt.
    »Mister Fetti, du redest ordentlich Blödsinn.«
    Eugen war ein einbeiniger Schwarzschwanz-Präriehund. Vor zwei Wochen hatten Elsa und Anton ihn halbtot auf der Zufahrtsstraße gefunden und aufgepäppelt. Seither lebte Eugen in einem kleinen Gehege hinter dem weißen Holzhaus und schlief nachts in Antons Zimmer. Gestern Abend war der Präriehund auf einmal nicht aufzufinden gewesen.
    Etwa zwanzig Tiere standen in den Boxen, scharrten mit den Hufen, schüttelten ihre Mähnen und machten mir eine Heidenangst.
    »Können wir nicht den Wagen nehmen? Bitte. Elsa, du weißt, wie sehr ich Ponys
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