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Elric von Melnibone

Elric von Melnibone

Titel: Elric von Melnibone
Autoren: Michael Moorcock
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herrschte, wie ein Herrscher herrschen sollte. Yyrkoon, das muß ich zugeben, würde ebenfalls herrschen, wie man es von einem Herrscher erwartet. Außerdem hat er die Chance, Melnibone wieder zur Größe zu führen. Wäre er Herrscher, würde er einen Eroberungsfeldzug beginnen, der unseren Handel auf das frühere Volumen bringen und unsere Macht wieder über die ganze Erde ausbreiten soll. Diesen Wunsch hat auch die Mehrheit unseres Volkes. Habe ich das Recht, ihm den Wunsch abzuschlagen?«
    »Du hast das Recht zu tun, wovon du überzeugt bist, denn du bist der Herrscher. Wer dir loyal ergeben ist, denkt wie ich.«
    »Vielleicht ist es eine fehlgeleitete Loyalität. Vielleicht hat Yyrkoon recht, vielleicht verrate ich diese Loyalität und bringe der Dracheninsel den Niedergang!« Elrics umflorte rote Augen blickten direkt in die ihren. »Vielleicht hätte ich sterben sollen, als ich den Leib meiner Mutter verließ. Dann wäre Yyrkoon Herrscher geworden. Ist dem Schicksal hier ein Schnippchen geschlagen worden?«
    »Das Schicksal läßt sich nicht überlisten. Was geschehen ist, geschah, weil das Schicksal es so wollte - wenn es in der Tat so etwas wie das Schicksal gibt und die Taten eines Menschen nicht bloß eine Reaktion auf die Taten anderer Menschen sind.«
    Elric machte einen tiefen Atemzug und wandte ihr ein Gesicht zu, das Ironie ausdrückte. »Deine Logik führt dich an den Rand der Ketzerei, Cymoril, wenn wir den Traditionen Melnibones glauben wollen. Vielleicht wäre es besser, wenn du deine Freundschaft zu mir vergäßest.«
    »Du redest beinahe schon wie mein Bruder. Willst du meine Liebe zu dir auf die Probe stellen, mein Lord?«
    Er begann aufzusteigen. »Nein, Cymoril, aber ich würde dir raten, diese Liebe selbst einmal zu erkunden, denn ich spüre etwas Tragisches in unserer Verbindung.«
    Als sie sich ebenfalls wieder in den Sattel geschwungen hatte, lächelte sie und schüttelte den Kopf. »Du siehst in allem etwas Negatives. Weißt du gar nicht die guten Dinge zu schätzen, die dir gegeben sind? Es sind ohnehin nur wenige, mein Lord.«
    »Aye, da stimme ich dir zu.«
    Hufschlag klang hinter ihnen auf, und sie drehten sich im Sattel. In einiger Entfernung erblickten sie eine Kompanie gelbgekleideter Reiter, die in einiger Verwirrung über das Land ritten. Es handelte sich um die Wache, die sie in ihrem Bestreben, allein zu sein, zurückgelassen hatten.
    »Komm!« rief Elric. »Durch den Wald und über den Hügel dahinter, dort finden uns die Kerle nie!«
    Sie ließen ihre Tiere durch den von Sonnenstrahlen durchstochenen Wald traben und den anschließenden steilen Hügel hinauf; auf der anderen Seite galoppierten sie hinab und über eine Ebene voller Noidelbüsche, deren Giftfrüchte purpurnblau schimmerten, eine Nachtfarbe, die nicht einmal das Licht des Tages vertreiben konnte. Es gab viele solcher seltsamen Beeren und Kräuter auf Melnibone, und einigen verdankte Elric sein Leben. Andere wurden als Zaubermittel verwendet, vor Generationen von Elrics Vorfahren ausgesät. Heutzutage verließen nur noch wenige Melniboneer die Stadt Imrryr, um diese Früchte zu ernten. Der größte Teil der Insel wurde nur von Sklaven betreten auf der Suche nach den Wurzeln und den Büschen, die den Menschen monströse und wunderbare Träume schenkten, denn vor allem in Träumen fand die Oberschicht Melnibones ihr Vergnügen; seit jeher war sie schwermütig und nach innen gekehrt, und gerade wegen dieser Eigenschaft hatte Imrryr den Namen ›Träumende Stadt‹ erhalten. In Imrryr kauten auch die einfachsten Sklaven Beeren, welche das Vergessen brachten; auf diese Weise ließen sie sich leicht kontrollieren, denn sie waren sehr schnell von ihren Träumen abhängig. Allein Elric lehnte solche Drogen ab, vielleicht weil er so viele andere einnehmen mußte, um nur am Leben zu bleiben.
    Die gelbgekleideten Wächter waren hinter ihnen verschwunden, und als sie die Ebene überquert hatten, auf der die Noidelbüsche wuchsen, zügelten sie die Tiere, erreichten schließlich die Klippen und dann das Meer.
    Der Ozean schimmerte hell und beleckte gemächlich den weißen Strand unterhalb des Steilabfalls. Meeresvögel wirbelten aus klarem Himmel, und ihr Geschrei klang fern und unterstrich nur das Gefühl des Friedens, das Elric und Cymoril erfüllte. Schweigend führten die Liebenden ihre Pferde über steile Wege zum Strand hinab. Dort banden sie die Tiere an und begannen über den Sand zu gehen, und ihr Haar - das seine
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