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Elke im Seewind

Elke im Seewind

Titel: Elke im Seewind
Autoren: Emma Gündel
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weidende Kühe, schwarz und weiß —ein großer Fischkutter mit rotbraunen Segeln — rechts drüben jetzt Brunsbüttel, wo der Nordostseekanal in die Elbe mündet.“ Elke wird schnell klar, was das bedeutet. Die Mutter beschreibt ihrem blinden Sohn, was sie selber sieht, damit er auch weiß, was rings um ihn ist. Schön, daß die Mutter das tut, findet Elke. — Als die Kinder einige Zeit später wieder aufstehen, um sich ein bißchen zu bewegen, sagt Lotti zu Elke: „Du, wir nehmen unsere Sachen und gehen woanders hin. Ich mag den Blinden nicht immer sehen.“
    „Wieso magst du ihn nicht sehen?“ fragt Elke verwundert. „Es sieht doch nur so aus, als wenn er die Augen zumacht, weil er sich ein bißchen sonnen will.“
    „Aber man weiß, daß er blind ist. Und das mag ich nicht sehen“, beharrt Lotti.
    „Du bist verrückt!“ sagt Elke, ohne der Gefährtin zu erklären, warum sie das findet. Vielleicht könnte sie es auch gar nicht in Worte kleiden. Vielleicht hat sie es nur im Gefühl, daß es lieblos von Lotti ist, das bittere Unglück eines Menschen zum Anlaß zu nehmen, es für sich selber als etwas Unangenehmes herauszustellen.
    Lotti macht ihre Absicht wahr. Sie nimmt Koffer und Rucksack und sagt zu Frau Schwarz, daß es ihr hier vorne zu windig ist. Ruth Behne begleitet sie auf ihr Zureden.
    Wenige Minuten später kommt Cuxhaven in Sicht. Freudig erregt zeigen die Reisenden sich gegenseitig die ersten auftauchenden Häuser und Hafenanlagen von Cuxhaven. Es drängen sich schließlich so viele Leute nach der linken Seite, daß das Schiff sich bedenklich neigt. Frauen quietschen ängstlich auf. Viele Fahrgäste machen sich zum Aussteigen bereit. Auch die Mutter und der blinde Sohn gehören zu diesen. Elke hört, wie der Sohn sagt: „Es war eine ganz herrliche Fahrt.“ Es ist dem Mädel unfaßbar, wie ein Blinder überhaupt in seinem Leben noch etwas herrlich finden kann.
    Die Schifismaschine stampft und braust und rasselt jetzt. Klingelzeichen und Kommandorufe ertönen. Matrosen laufen hin und her und schreien. Dicke Drahtseilkabel, die an der Anlegebrücke in Cuxhaven festgemacht werden sollen, werden bereitgelegt. Die „Alte Liebe“, die Cuxhavener Schiffsbrücke, ist schwarz von Menschen. Zum Teil sind es Zuschauer, die das Schiff nur anlegen sehen wollen. Andere wollen ihre Sommergäste abholen, und endlich sind auch noch eine ganze Menge Reiselustiger da, die mit der „Königin Luise“ nach einer der Nordseeinseln fahren wollen.
    Als das Schiff sich ungefähr eine halbe Stunde später langsam wieder in Bewegung setzt, ist es viel leerer, als es von Hamburg herkam. Es sind bei weitem mehr Fahrgäste ausgestiegen als neue hinzugekommen. Die Kinder stehen lange und winken den an der „Alten Liebe“ Zurückgebliebenen zu.
    Das freie, offene Meer wird bald erreicht. Die Wellen werden höher und das Schiff wird kräftig gehoben und gesenkt. Auch der Wind wird jetzt stärker, und die Plätze vorn am Bug des Schiffes verwaisen immer mehr. Das Ehepaar Schwarz hat Elke und Katje soeben aufgefordert, ihre Sachen zu nehmen und mit ihnen mehr nach der Hinterseite des Schiffes zu gehen. Lotti und Ruth haben sich ja schon vor einer ganzen Weile in die Nähe des warmen Schornsteins zurückgezogen. Selbstverständlich gehorchen Elke und Katje sofort, wenn auch vor allem Elke findet, daß jetzt ja gerade so schön viele Möwen ans Schiff geflogen kommen. Na, vielleicht dürfen sie ja nachher wieder nach vorn gehen. Es macht ihnen doch gar nichts aus, daß das Schiff da am meisten schaukelt — das macht doch im Gegenteil nur großen Spaß.
    Tatsächlich stehen Elke und Katje eine Viertelstunde später bereits wieder an ihrem Lieblingsplatz vorn beim Schiffsschnabel. Sie haben sich aus ihren Rucksäcken Brot mitgenommen und füttern Möwen. Es sind etwa zwanzig Möwen, die schreiend und flügelschlagend um sie herumkreisen. Leider ist selbst das größte Butterbrot bei so vielen Vögeln schnell verfüttert. Die Mädel freuen sich, als auch noch andere Leute anfangen, den Möwen Brotstücke hinzuwerfen. Nein, wie sind die Möwen bloß geschickt im Auffangen! Es kommt überhaupt nicht vor, daß ein Brocken ins Wasser fällt. Immer hat ihn vorher eine Möwe in der Luft aufgefangen. Die Kinder staunen auch, wie riesengroß die Möwen sind.
    Kat je sagt jetzt: „Ich glaube, bei uns in Hamburg im Winter ist das ne ganz andre Möwensorte. Sie sind heller als diese und auch nicht so groß.’
    Elke nickt zustimmend.
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