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Elixir

Elixir

Titel: Elixir
Autoren: H Duff
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dieser Stalker am Beginn und am Ende unserer Reise bei uns gewesen war… war er dann vielleicht die ganze Zeit über da gewesen? Allein beim Gedanken daran bekam ich eine Gänsehaut. Was, wenn diese Bilder nicht wegen ihres künstlerischen Wertes meine Aufmerksamkeit erregt hatten, sondern weil ich instinktiv irgendeine Gefahr gespürt hatte, die mir während der Reise selbst nicht bewusst geworden war?
    Jetzt war jegliche Erschöpfung von mir abgefallen. Meine Haut kribbelte vor Angst, als ich die beiden Aufnahmen auf dem Monitor wieder verkleinerte und mir ein weiteres Miniaturbild vornahm, das Sacré-Cœur am Montmartre zeigte. Mit fahrigen Bewegungen vergrößerte ich es und hielt nach dem Gesicht Ausschau. Ich konnte es nicht entdecken, doch auf den anderen Fotos hatte ich es auch nicht gleich gesehen. Ich vergrößerte noch einmal und suchte weiter. Meine Fingerknöchel traten weiß hervor, so fest hatte ich die Maus gepackt.
    Da.
    Ein Schatten auf einer der obersten Brüstungen.
    Ich zoomte näher und auf meiner Stirn brach Schweiß aus.
    Er war da. Mit dem Rücken zu mir, aber ich sah seine Haare, die Lederjacke, die Jeans, den muskulösen Körperbau… er war es und er stand an einem Ort, der für Touristen absolut unerreichbar war– das wusste ich.
    Wie also war er dorthin gekommen? Und warum?
    Mein erster Gedanke war sogar tröstlich: Möglicherweise war er ein Bodyguard der Regierung, der heimlich auf Rayna und mich angesetzt war. Das war schon einmal vorgekommen– Mom hatte sich bei bestimmten Leuten dermaßen in die Nesseln gesetzt, dass unsere Familie bedroht wurde, und es hatte Zeiten gegeben, in denen ich überwacht worden war – heimlich, damit ich keine Angst bekam. Das würde natürlich erklären, warum dieser Mann Zugang zu der Brüstung hatte. Dennoch war es merkwürdig, dass ich ihn nicht gesehen hatte, die » heimlichen« Bodyguards hatte ich sonst immer gleich geortet. Aber vielleicht machte er seinen Job einfach besser als seine Vorgänger.
    Oder er war vorsichtiger als die anderen, weil er eben nicht da war, um auf mich aufzupassen. Statt mich vor einer Gefahr zu schützen, war er vielleicht selbst die Gefahr.
    Schnell vergrößerte ich die anderen Miniaturbilder eines nach dem anderen und suchte den Hintergrund ab, die Ecken, die scheinbar unwichtigsten Teile der Szenerie, vergrößerte und vergrößerte, bis ich ihn fand. Jedes Mal. Obwohl die Bilder alle von unterschiedlichen Stationen unserer Reise stammten, aus verschiedenen Ländern, war er immer da.
    Stets im Hintergrund verborgen, so klein, dass man ihn nie wahrnehmen würde, außer man hielt nach ihm Ausschau.
    Er war immer da.
    Jetzt zitterte ich. Ich war mir sicher, der Mann hatte mir und vielleicht auch Rayna auf unserer Reise etwas zuleide tun wollen und nur durch Zufall nicht die passende Gelegenheit dazu gefunden. Ich wollte gerade einen Notruf bei meiner Mutter absetzen, als ich das letzte Miniaturbild öffnete: das des Wasserspeiers hoch oben an den Wänden des Prager Veitsdoms. Ich hatte die Aufnahme mit dem Zoomobjektiv gemacht: nur der Wasserspeier, der aussah, als wolle er gleich von dem Vorsprung abheben. Lediglich ein Fenster und die Fassade der Kathedrale waren noch mit im Bild.
    Ich zoomte auf das Fenster und wartete nur darauf, dass der Mann herausspähte.
    Er war nicht da, was bedeutete, dass er also definitiv nicht auf dem Foto sein konnte, denn sonst konnte man sich hier nirgends verstecken.
    Trotzdem nahm ich jede Ecke des Fotos unter die Lupe.
    Schließlich fand ich einen Schatten in der oberen rechten Ecke und wieder tanzte Gänsehaut auf meinen Armen.
    Ich wollte es nicht vergrößern, wollte nicht genauer hinschauen… aber ich konnte nicht anders.
    Ich zoomte auf die Stelle und konzentrierte mich auf den Schatten.
    Er war es.
    Mit den Händen in den Taschen seiner Lederjacke stand er da, ganz lässig an die Fassade des Doms gelehnt, und blickte nachdenklich in die Ferne.
    Nur dass er sich circa dreißig Meter über dem Erdboden befand und sich unter seinen Schuhen das Nichts erstreckte.
    Das Nichts.
    Die Maus vibrierte in meiner bebenden Hand und ich ließ sie los. Gebannt starrte ich auf das Bild. Wer war dieser Kerl? Was war er? Wilde Spekulationen wirbelten mir durch den Kopf, doch sie waren allesamt unmöglich.
    Genauso wie mitten in der Luft zu schweben.
    Plötzlich hatte ich eine verrückte Idee. Ich packte meine Kamera und schoss zehn Bilder, während ich mich auf meinem Stuhl einmal um die
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