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Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Titel: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Sie wickelten sich um die Hälse der Freunde, hoben sie beide scheinbar mühelos vom Deck des Schiffs – und zogen sie hinab, in die schwarzen Untiefen des Meeres.

11 Das Ende einer Reise
    Die Passagiere des Fluges von Napoli nach Palermo werden gebeten, sich an Gate vierzehn einzufinden; ich wiederhole: Die Passagiere ...«
    Nadja schreckte hoch und wehrte instinktiv die Hand ihres Vaters ab. Sie vertrug keine Berührung, nicht jetzt, nicht nach all den schrecklichen Dingen, die er ihr erzählt hatte.
    Sie stand auf, trat ein paar Schritte beiseite, drehte sich zur Wand und wischte sich die Tränenspuren aus dem Gesicht.
    Sie hatte sich geirrt. Sie war nicht so stark, wie sie immer geglaubt hatte. Im Gegenteil: Die Geschichte ihrer Eltern nahm sie mehr mit, als sie vertragen konnte. Mit dieser Tragödie einer über so lange Zeiträume unerfüllt bleibenden Liebesgeschichte hätte man ganze Bücher füllen können. Lag tatsächlich ein Fluch über ihrem Vater? Oder waren es Zufälle gewesen, die sein Glück verhindert hatten?
    »Wir müssen gehen ...«, drängte Fabio. »Oder soll ich das Flugzeug aufhalten?«
    »Es ... es geht schon wieder.« Nadja betrachtete sich kritisch in ihrem kleinen Handspiegel, trug ein wenig Wangenrouge auf und atmete dreimal tief durch, bevor sie sich umdrehte und sich zwang, ihrem Vater zuzulächeln.
    Fabio besaß die Macht, mit seiner Überzeugungskunst dafür zu sorgen, dass Flugzeuge ihren Start verschoben. Aber sein persönliches Schicksal hatte er niemals richtig in den Griff bekommen.
    Das Tief vor der Küste Siziliens war ebenso plötzlich verschwunden, wie es aufgetaucht war. In einer knappen Stunde würden sie die Insel erreichen.
    Nadja schnallte sich an und wartete angespannt, bis sich die Stewardess wegdrehte, um die anderen Passagiere der ersten Klasse mit Getränken und Snacks zu versorgen. »Bringen wir’s zu Ende«, sagte sie leise zu ihrem Vater.
    »Bist du dir sicher?« Fabio betrachtete sie besorgt.
    »Wenn nicht jetzt, dann schaffe ich’s wohl nie.«
    »Na schön.« Er ließ sich zurücksinken und schloss die Augen. »Ich werde den Rest der Geschichte kurz halten. Es zehrt mitunter auch an meinen Kräften, mich an diese schrecklichen Ereignisse zu erinnern ...«
    Niemand interessierte sich mehr für mich. All die Wächter, Verwandten und Passanten kümmerten sich um Julia, um das zierliche kleine Mädchen, das sich aus unerfindlichen Gründen in den Tod gestürzt hatte. Ihre letzten Worte gaben jedermann Rätsel auf – außer mir natürlich.
    Ich schleppte mich beiseite, umrundete das Haus und stieg unbehelligt in mein kleines Boot. Irgendwie schaffte ich es, Morocuttis Leib zu mir zu ziehen. Dann stieß ich mich ab und ließ mich treiben, irgendwohin, nur fort von diesem schrecklichen Ort. Die Wunde in meiner Seite hatte aufgehört zu schmerzen. Ich befand mich an der Kippe zum Delirium, und die widersprüchlichsten Empfindungen tobten durch meinen Leib.
    Julia wollte mich wiedersehen. In einem anderen, in ihrem nächsten Leben. Sie hatte ihr Leben gegeben, um mich aus einer ausweglosen Situation zu befreien. Ich durfte nicht aufgeben; nicht jetzt, nach allem, was ich durchgemacht hatte!
    Also begann ich zu rudern. Mechanisch, ohne viel zu denken. Kleine Heilbeschwörungen, an die ich mich erinnerte, stoppten vorerst die Blutung und verschafften ein wenig Linderung von den Schmerzen.
    Irgendwann erreichte ich meine Casa. Giuseppa, die Treue, hörte mein Kratzen an der Tür und schleppte mich ins Arbeitszimmer. Sie war so gut wie jeder Heiler dieser Stadt, wenn nicht sogar besser; denn ich hatte sie gelehrt, zuallererst auf Sauberkeit zu achten, wenn sie Wunden pflegte, und ja nicht irgendwelchem Aberglauben nachzugeben. Bei Stichwunden half keine Krötentinktur und auch kein übel riechendes Gebräu, das in den Hinterhöfen der Märkte angepriesen wurde. Schwärendes Fleisch musste weggeschnitten, das Gewebe gereinigt und wieder zusammengenäht werden. Den Rest erledigte die Natur.
    Sie tat ihre Arbeit mit grobem Flachsfaden und einer glühenden Nadel. Während sie an mir herumwerkelte, schüttete ich große Mengen sauren Weins in mich hinein. Er betäubte mein Schmerzempfinden, und er regte meinen Kreislauf an.
    Ich hielt durch, bis mich Giuseppa gemäß meinen Anweisungen zusammengeflickt hatte. Erst dann erlaubte ich mir den Luxus einer Ohnmacht – in der vagen Hoffnung, wieder aufzuwachen.
    Es sollte lange Zeit dauern, bis ich mich erholte. Giuseppa tat ihr
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