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Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt

Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt

Titel: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
Autoren: Susan Schartz
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dunkelbraune Lederjacke. Nadja hätte ihn sofort in jeder großen Menschenmenge erkannt.
    Der ewig mürrische Gesichtsausdruck mit dem misstrauischen Blick, der Dreitagebart, das kurze, widerspenstig gelockte Haar, dazu der bleichgraue Teint eines Kettenrauchers, der die Sonne meidet: Der Fotograf und Beinaheschriftsteller bot das typische Bild des einsamen Mittvierzigers, der die ganze Welt für seinen Kummer verantwortlich machte. Manchmal, wenn Robert sich gar zu sehr wie ein deprimierter Greis verhielt, betonte Nadja scherzhaft, dass sie »schon ein Vierteljahrhundert« zähle, wohingegen er nur »irgendwo in den Vierzigern« herumhängen würde.
    »Du siehst furchtbar aus«, begrüßte Nadja ihren Kollegen. Das war keinesfalls uncharmant, denn sie wusste, dass es seinem Selbstmitleid schmeicheln würde.
    Prompt brummte er: »Kein Wunder. Der Zug ist schweineteuer, und man fährt als Jugendlicher los, kommt aber als Rentner an. Als ob Paris auf der anderen Seite der Welt läge.«
    »Irgendwie tut es das auch«, verteidigte Nadja ihre Lieblingsstadt. »Warum hast du keinen Flug gebucht? Kriegt man heutzutage fast geschenkt.«
    Er bedachte sie mit einem fast mitleidigen Blick. »Du willst meine Freundin sein?«, erwiderte er vorwurfsvoll. »Du weißt, dass ich das Fliegen noch mehr hasse.«
    »Du hast bloß Schiss, das ist alles.« Sie lächelte versöhnlich, mit diesem feurigen Strahlen in den bernsteinfarbenen Augen, dem keiner widerstehen konnte, nicht einmal Robert. Ein sehr positives Erbe der väterlichen italienischen Wurzeln.
    Ohne weitere Umstände hakte sie sich bei dem Fotografen unter, der normalerweise mindestens zwei Meter Distanz zu sich verlangte, und zog ihn zur Metro.
    Sie fuhren mit der Linie 12 bis zur Porte de Versailles, an der Grenze zum Zentrum, direkt an der Périphérique. Vor der Halle 7 der Paris Expo herrschte bereits ein reger Andrang der Journalisten aus der ganzen Welt.
    Nadja machte jedes Mal bei solchen Gelegenheiten deutlich, dass sie derartige Ansammlungen liebte. In solchen Fällen konnte man sich nämlich mühelos hindurch nach vorne drängeln und so tun, als hätte man am längsten von allen angestanden. Ein Sportvergnügen für sie. Nadja wurde dabei glatt und beweglich wie ein Aal, sie eckte nirgends an und schlängelte sich so sanft, aber flink hindurch, dass die wenigsten schnell genug begriffen, was da geschah.
    Robert hatte es längst aufgegeben, sich dessen zu schämen, denn er hatte den Vorteil eingesehen: Sie vergeudeten keine Zeit mit Schlangestehen. Etwas, das er noch mehr hasste als das Fliegen, weil ihm diese dicht gedrängte Nähe fast Hautausschlag bescherte.
    Nadja führte sie beide auf dem kürzesten Weg durch die Schlange, ohne angepöbelt, aufgehalten oder beschimpft zu werden. Robert hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie in dem unaufhörlichen Gewimmel die Öffnungen ausmachte, durch die man schlüpfen konnte.
    »Das ist wie bei der Chaostheorie«, hatte sie einst mit erhobenem Zeigefinger weise doziert, als sie an der Hotelbar die Whiskysorten durchprobiert hatten. »Was vorschwingt, schwingt auch wieder zurück, man muss nur der Wellenbewegung folgen und sich anpassen.«
    »Das einzige Mal, dass dir das gelingt«, hatte Robert damals genuschelt, den Mund voller gesalzener Erdnüsse, die er zu seinen Hauptnahrungsmitteln zählte. »Ansonsten bist du ein noch größerer, scharfkantigerer Eckstein als ich.«
    Nadja wedelte jetzt mit der Hand. »Hallo, Roger, hier bin ich!«
    Robert kannte auch diesen Trick. Irgendeiner weiteren geheimnisvollen Chaostheorie zufolge, die sich auf Namen anwenden ließ, hieß einer der Türsteher in Frankreich immer Roger. Und tatsächlich reagierte einer der grimmig aussehenden Kontrolleure, indem er leicht den Kopf wandte und fragend in Nadjas Richtung blickte.
    Sie setzte ihr gewinnendes Lächeln auf, lief auf ihn zu und küsste ihn auf beide Wangen, wobei sie einen Schwall an Worten über ihn ausgoss, der ihn überrascht wie nach einem überfallartigen Platzregen dreinschauen ließ. Wie sehr sie sich freuen würde, ihn wiederzusehen, sie habe die Nacht in der Disco nie vergessen und so weiter.
    Roger, der keine Ahnung hatte, wovon sie sprach, sich aber keine Blöße geben wollte, falls er sie tatsächlich kannte, begrüßte sie: »Ich freue mich auch, was für ein Zufall …«
    »Nadja, Nadja Oreso, weißt du noch?«, setzte Nadja den Wortfluss fort. »Du hast immer gedacht, es würde Orneso heißen, und dann hast du mich
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