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Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt

Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt

Titel: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
Autoren: Susan Schartz
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geschäftigen Turbogänge wurden deutlich zurückgeschaltet, das vertraute Flair kehrte ein, und man besann sich auf den gewohnten Rhythmus und die länger werdenden Nächte an der Seine.
    Noch war es warm, die Straßencafés nach wie vor gefüllt, aber im Stimmengeschwirr überwog Französisch, und viele Tische, so wie Nadjas, waren nur einzeln besetzt. Die Garçons hatten wieder Zeit, einen guten Café au Lait zuzubereiten, dazu ein Gläschen Wasser auf das Tablett zu stellen und es formvollendet zu servieren, mit einem freundlichen Lächeln und ohne sofortiges Kassieren. Vielleicht gab es noch ein kleines Schwätzchen dazu, über das Wetter und die Liebe.
    Nadja ließ sich die milde Brise um die Nase wehen, seufzte und fühlte sich wohl.
    In diesem Augenblick flitzte ein Schatten vorbei, wo keiner sein durfte, denn der Passantenstrom war kurzzeitig abgerissen und in diesen Sekunden niemand in der Nähe. Am Nebentisch quietschte eine Frau auf, als ihr Pernodglas umkippte und der milchweiße Inhalt sich über ihren Begleiter ergoss. Der Mann, der einen gut geschnittenen Anzug trug, sprang auf und beschwerte sich erbost über die Ungeschicklichkeit.
    Die peinlich berührte Frau versuchte mit einer Serviette, seine Hose zu trocknen, aber er war unversöhnlich, warf dem Kellner das Geld hin und verließ das Café. Nach einer Weile folgte ihm die Frau, wobei sie sich immer noch entschuldigte.
    Nadja schüttelte den Kopf. Sie hätte dem ungehobelten Kerl ganz andere Sachen erzählt, als sich zu entschuldigen. Der Frau hätte sie diesbezüglich gern einen Ratschlag erteilt. Da aber solche Hilfestellungen selten auf Gegenliebe stießen, dankte sie sich lieber im Stillen, frei und ungebunden zu sein.
    Die junge Frau trank aus, ordnete in einer unbewussten Geste das glänzende dunkelbraune Haar und legte das Geld auf das Tischchen. Zu dieser Jahreszeit musste sie keine Sorge tragen, dass jemand die paar Münzen klaute, und sie machte sich beschwingt auf den Weg.
    Überall waren Straßenreinigungsmaschinen unterwegs, die man den ganzen Sommer über nicht gesehen hatte. Grund genug für Touristen, sich über Staub und Abfall zu beschweren, aber nicht ausreichend, um wegzubleiben. Sicherlich, die Massen von Hundehäufchen waren noch eine Weile störend, bis die Reinigungsdienste den Dreck bewältigt hatten, aber irgendwann fanden die Füße von selbst einen sicheren Weg, ohne dass man dazu Augen oder Verstand einsetzen musste. Meistens jedenfalls.
    Nadja stutzte kurz, als sie einen kühlen Wind spürte und erneut diesen huschenden, vor der Sonne fliehenden Schatten sah, der gleich darauf versteckt um die Ecke kicherte. Doch dann zuckte sie die Achseln und ging weiter.
    Obwohl sie sich durch ihre oft wochenlangen Aufenthalte nicht mehr als Touristin empfand, war Nadja noch lange keine »Pariserin«. In ihrem Personalausweis stand »München« als Wohnadresse. Dort war sie geboren, und dort hatte sie eine andere Sicht der Dinge erlernt. Pariser pflegten unpragmatisch die kleinen Wunder des Tages zu sehen, zu akzeptieren oder sogar zu nutzen. Nadja erkannte solche, wenn überhaupt, meist zu spät oder nur am Rande – obwohl sie mittlerweile mit der französischen Gangart vertraut war, konnte sie ihre Herkunft nicht verleugnen.
    Mit halbem Ohr, stets ihrem journalistischen Instinkt folgend, belauschte Nadja ein junges Paar, das hinter ihr eine kurze, lebhafte Debatte führte: »Ein rotes Mützchen, sag ich dir!«, beharrte der Jüngling. Das Mädchen spottete: »Klar doch. Ein Igel mit Kopfbedeckung, und noch dazu
rot.«
    Er widersprach: »Aber du hast es doch auch gesehen!« Und sie: »Natürlich, mein Schatz. Alles, was du willst.« Dann tauschten sie, dem kurzen schmatzenden Geräusch nach zu urteilen, einen Kuss.
    Nadja eilte weiter; für derlei öffentliche Vertraulichkeiten hatte sie nicht viel übrig. Aber ein Schatten, ein Kichern, ein Igel und ein rotes Mützchen: Das musste sie Robert erzählen. Solche Dinge gefielen seiner Dichterseele.
    Robert Waller wartete bereits vor der Madeleine, ein purer Affront zu dem hinter ihm aufragenden kirchlichen Prachtbau im römischen Stil. Die erhabenen Säulen, zeitlos elegant, luden zum Verweilen in Andacht ein. Der Mann aber trug dieselbe abgetragene Jeans wie immer, die wahrscheinlich schon mit seiner Haut verwachsen war, ein verschlissenes gestreiftes Hemd, die unvermeidliche karierte Krawatte, die er als »typisch schottisch« bezeichnete, und darüber eine ausgeleierte
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