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Elfenwinter

Elfenwinter

Titel: Elfenwinter
Autoren: Bernhard Hennen
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Galeasse ihre Ruder zu Wasser bringen kann. Sie braucht mehr Platz zum Manövrieren«, erklärte Ollowain. Insgeheim ärgerte er sich, dass er nicht selbst daran gedacht hatte. Er ahnte, worauf Silwyna hinauswollte.
    »Sie könnte sich genau wie die Segelschiffe in freies Fahrwasser schleppen lassen. Wenn ich die Königin töten wollte, würde ich im vorderen Mastkorb stehen. Nach dem Schuss ist es ein Leichtes, über die Rah zu fliehen und ins Hafenbecken zu springen. Dort würde ich einen Delfin rufen, um mich aus dem Hafen zu den Mangroven oder zu einem Boot bringen zu lassen, das draußen auf der offenen See wartet.«
    Ollowain spürte, wie ein einzelner Schweißtropfen über seine Stirn rann. Er musterte Silwyna eindringlich. Hatte er sich in ihr geirrt? Sie konnte sich allzu gut in den Mörder hineindenken. Lag es nur daran, dass sie eine Jägerin war? Sie war vorbereitet!
    Für den flüchtigen Betrachter wirkte sie festlich gekleidet, doch er sah in ihr mehr als nur einen harmlosen Gast. Sie war bereit, mit den Schatten der Nacht zu verschmelzen. Zu lauern und zu töten. Silwyna trug ein dunkles Wams aus Leder, in das ein aufwändiges Blütenmuster geprägt war. Darunter ein schwarzes Seidenhemd und eine weite seidene Hose. Ihr Antlitz war mit Bandag bemalt, dem rotbraunen Saft des Dinko-Busches. Ihre helle Hautfarbe verschwand fast gänzlich unter dem dunklen Muster aus Spiralen und stilisierten Wolfsköpfen. Selbst der lederne Sehnenschutz, den sie am linken Unterarm trug, wirkte auf den ersten Blick wie Schmuck. Gewiss, sie machte in diesem Festgewand einen düsteren Eindruck, aber das würde niemanden wundern. Im Gegenteil, man erwartete von den Maurawan geradezu, dass sie gegen jede Form der Etikette verstießen. Sie waren Wilde. Aufgewachsen in Wäldern. Angeblich lebten sie mit Tieren zusammen. Ollowain hielt das für Gerede, aber er wusste, dass viele diese Geschichten für wahr hielten.
    Sie hat etwas geahnt, beruhigte der Schwertmeister sich in Gedanken. Schließlich warst du es, der sie gebeten hat, mit ihrem Bogen herzukommen. Andererseits traf man sich in einer Nacht wie dieser auf einem Tanzparkett und nicht auf einer verborgenen Terrasse des Palastes der Königin. Jedenfalls nicht, wenn man für die Sicherheit der Herrin Albenmarks verantwortlich war. Silwyna hatte geahnt, dass sie zu einer Jagd eingeladen war. Und sie hatte sich entsprechend gekleidet.
    »Ich werde mich jetzt auf der Atem der See umsehen«, sagte sie ruhig.
    Ollowain presste verärgert die Lippen zusammen. Wie naiv! »Das ist das Flaggschiff der Fürsten von Arkadien. Sie werden dich nicht an Bord lassen. Und ich glaube nicht, dass der Attentäter dort zu finden ist.«
    »Ich hatte nicht vor zu fragen, ob man mich an Bord bittet«, entgegnete sie selbstsicher.
    Unten am Hafen wurden die ersten Lichter zu Wasser gelassen, kaum handgroße Schwimmer aus Kork, auf denen Öllampen brannten.
    Silwyna hielt ihn mit ihrem Blick gefangen, so schien es Ollo-wain. Ihre Iris war von kaltem, hellem Blau, umgeben von einem dünnen schwarzen Rand. Wolfsaugen, dachte er, und ihn schauderte.
    »Sag mir endlich, was du weißt! Warum sollte der Mörder nicht auf der Atem der See sein?« fragte sie schneidend.
    »Darüber werde ich nicht sprechen. Geh du auf die Jagd für mich, und ich sorge dafür, dass du durch Atta Aikhjartos Albenstern in die Welt der Menschen reisen darfst.«
    Silwyna schenkte ihm ein vieldeutiges Lächeln. »Warum mache ich nur immer wieder den Fehler, mich mit euch verzogenen Höflingen einzulassen? Ich weiß, ich sollte dem Menschensohn nicht in seine Welt folgen. Er wird mich enttäuschen. Ich muss wohl als Kind vom Mutterbaum gefallen und mit dem Kopf auf den Wurzeln aufgeschlagen sein. Wenn die Alben mich lieben, begegnen wir uns eines Tages in einem Wald, Ollo-wain, und ich verspreche dir, dann wirst du höflicher sein.« Sie griff nach ihrem Bogen. Noch einmal sah sie kurz auf. »Übrigens, du hast da etwas Schweiß in deinen Brauen.«
    »Tatsächlich?« Ollowain zog ein Leinentüchlein hinter seinem Gürtel hervor und tupfte sich die Brauen. »Danke«, antwortete er tonlos.
    Silwyna würdigte ihn keines weiteren Blickes. Sie schwang sich über das Geländer der Terrasse und fand mit sicherem Tritt die schmale Koboldtreppe, die halb zwischen Schlingpflanzen verborgen an der Außenfassade des Palastturms hinabführte. Leichtfüßig lief sie die steile Treppe hinunter. Ollowain sah noch, wie sie über das dichte
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