Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenwinter

Elfenwinter

Titel: Elfenwinter
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
man gezwungen, sich auf einen neuen Herrscher zu einigen. Das Fest der Lichter war die beste Gelegenheit für einen Anschlag auf Emerelles Leben, falls der Auftraggeber des Meuchlers nach der Königswürde strebte. Nur jetzt konnte unmittelbar auf den Tod der Herrscherin eine neue Königswahl folgen, denn alle Fürsten Albenmarks waren in Vahan Calyd oder hatten zumindest Vertreter geschickt. War der Meuchler in dieser Nacht nicht erfolgreich, dann war ein Anschlag sinnlos. Unter anderen Umständen würde es über ein Jahr dauern, eine Versammlung der Fürsten einzuberufen. Viel Zeit, um Intrigen zu spinnen und womöglich sogar offene Machtkämpfe auszutragen. Wenn der Mord aber hier während des Festes geschah, dann wären alle überrumpelt. Alle bis auf den Einen, der den Tod der Königin geplant hatte. Wer dann entschieden und selbstbewusst auftrat, der konnte binnen einer einzigen Nacht die Krone erringen.
    Ollowain war es ein Rätsel, wer freiwillig nach der Bürde der Macht streben mochte. Bei Hof gab es Gerüchte über eine heimliche Fehde zwischen der Königin und dem Fürsten von Arkadien. Man munkelte, der Tod seines Vaters sei kein Unfall gewesen. Die Spitzel der Königin berichteten, dass man in der Fürstenfamilie glaubte, Farodin, der Verbannte, habe in Emerel-les Auftrag einen Mord begangen. Das war absurd! Wer Far-odin kannte, konnte über solche Behauptungen nur lachen. Und dennoch ließ Ollowain die Atem der See, das Flaggschiff Shahondins, des Fürsten von Arkadien, besonders scharf beobachten.
    Womöglich ging es bei den Anschlägen auf Emerelle gar nicht um den Thron, sondern lediglich um Rache? So gesehen war es eine kluge Wahl, die Blutfehde während des Festes zu vollenden. Man würde immer denjenigen verdächtigen, der anschließend nach der Macht griff.
    Ollowain durchmaß eiligen Schrittes einen gemauerten Tunnel. Blaues Licht sickerte aus den Deckensteinen. Die feinen Härchen im Nacken des Kriegers richteten sich auf. Die Luft prickelte vor magischer Kraft. Tausende Zauber wurden in diesem Augenblick gesprochen. Jedes Geschlecht der Albenkinder, das die Macht geerbt hatte, wirkte in dieser Stunde Magie. Es war ein jahrhundertealter Wettstreit unter den Zauberern, sich in dieser Nacht gegenseitig zu überbieten. Ollowain dachte mit Schrecken an die ungezählten Möglichkeiten, die ein begabter Magier hatte, wenn er einen Anschlag auf die Königin verüben wollte. Vor dreihundert Jahren war sein Onkel unter Qualen gestorben, weil eine enttäuschte Geliebte mit einem Fingerschnippen einen Schwarm Ratten in seinen Magen gehext hatte. Ein Wort der Macht mochte reichen, um Emerelle durch ihre eigenen Gewänder erdrosseln zu lassen oder den Wein in ihrem Pokal in Säure zu verwandeln. Immer wieder hatte Ollowain auf Emerelle eingeredet, eine Zauberin in ihr Vertrauen zu ziehen. Die Königin brauchte jemanden um sich, der keine andere Aufgabe hatte, als sie vor einem magischen Angriff zu beschützen. Doch die Herrscherin hatte sich in dieser Hinsicht als erschreckend uneinsichtig erwiesen. Gewiss, sie war die bedeutendste Zauberweberin Albenmarks. Wahrscheinlich kam ihr niemand an Macht gleich. Und deshalb beharrte sie darauf, sich selbst zu schützen. Doch auf dem Fest würde Emerelle durch tausend andere Dinge abgelenkt sein, und ein Zauber konnte in Gedankenschnelle töten.
    Erst am Mittag hatte Ollowain noch mit Emerelle darüber gestritten, dass sie zusätzlichen Schutz brauchte. Doch die Königin hatte ihn lediglich kühl darauf hingewiesen, dass bei den fehlgeschlagenen Attentaten auch keine Magie im Spiel gewesen war. Vor drei Tagen hatten sie einen vergifteten Dorn im Polster von Emerelles Thronsessel gefunden. Das Gift hatte einen Kobold getötet, der das Polster ausgeklopft hatte. Nur Augenblicke später hätte sich die Königin auf dem Thron niedergelassen. Und dann gab es den Marmorblock, der dicht neben Emerelle auf den Magnolienhof gestürzt war. Es hatte sich gezeigt, dass der Mörtel, der den Stein gehalten hatte, keineswegs mürbe geworden war. Ein Stück der Terrassenmauer war mit einer Brechstange gelockert worden. Jemand hatte dort oben darauf gewartet, dass die Königin den Hof überquerte.
    Ollowain würde seine linke Hand dafür geben, wenn er wüsste, was der Mörder als Nächstes plante. Bisher hatte der Attentäter immer Abstand zur Königin gehalten. Deshalb vermutete Ollowain, dass der nächste Mordanschlag mit Pfeil und Bogen durchgeführt wurde. Aber was war, wenn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher