Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenlord

Elfenlord

Titel: Elfenlord
Autoren: H Brennan
Vom Netzwerk:
so groß, dass er tatsächlich laut keuchte. Auch Pyrgus sah jünger aus, sehr viel jünger. Es konnte keinen Irrtum geben. Die Wirkungen des Fiebers kehrten sich um.
    Dieses Mal vergaß Danaus sein würdiges Gehabe und rannte zum Krankenflügel hinüber. Aber er hatte ihn noch gar nicht erreicht, da sagte ihm die allgemeine Aufregung schon, dass offenbar etwas Dramatisches geschah. Als er auf die Station stürzte, flitzten gerade Krankenschwestern in alle Richtungen davon, Heiler eilten hin und her, aber das Erstaunlichste, Bemerkenswerteste und Verblüffendste war, dass auch die Patienten auf den Beinen waren, Patienten, die noch bei seiner morgendlichen Visite tief im Koma gelegen hatten.
    Danaus packte einen Heiler im blauen Mantel am Arm, als der an ihm vorbeieilen wollte. »Was ist hier los?«, fragte er.
    »Schlagartige Genesung«, antwortete der Heiler knapp.
    Das war die Art von blöder Antwort, die man ihnen allen beigebracht hatte, wenn in Wirklichkeit keiner eine Ahnung hatte, was tatsächlich geschah. »Das sehe ich«, fuhr Danaus ihn an. »Aber was hat sie ausgelöst?«
    Der Heiler schüttelte den Kopf. »Weiß nicht, Sir.« Dann lächelte er zu seiner Verärgerung. »Aber das sind doch tolle Nachrichten, oder, Sir?«
    Tolle Nachrichten, aber hochgradig irritierend. Geradeals Danaus ein paar flüchtige Untersuchungen vorgenommen hatte, um sich davon zu überzeugen, dass diese Wirkung echt war, trafen nach und nach Berichte von draußen ein, dass es in der ganzen Hauptstadt »schlagartige Genesungen« gäbe. Er hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass bald auch ähnliche Nachrichten von draußen aus dem ganzen Land eintreffen würden.
    Weil so viele Patienten sich plötzlich erholten, war der Verwaltungsaufwand groß, und es war schon spät am Nachmittag, als er sich auf einmal daran erinnerte, dass Nymph und Pyrgus immer noch in Stase waren. Und gleich darauf fiel ihm noch etwas siedend heiß wieder ein: Auch Madame Cardui befand sich in Stase. Er hatte auch sie darin versetzen lassen, weil sie eine Frau in einem bestimmten Alter war, obwohl alles darauf hingedeutet hatte, dass Stase den Krankheitsverlauf auch nicht mehr aufhielt. Was hätte er sonst tun sollen? Stase konnte ihren unvermeidlichen Tod für einige Stunden verzögern. Oder sie war bereits tot.
    Oder sie hatte wie alle anderen eine schlagartige Genesung erlebt.
    Er war gerade auf dem Weg, das herauszufinden, als ihm jemand sagte, dass Kaiserin Blue in den Purpurpalast zurückgekehrt war.

NEUNUNDNEUNZIG
    N atürlich regnete es. Seit er den alten Bergfried Burgundys geerbt hatte, fand Lord Hairstreak es wirtschaftlicher, die Wetterzauber weiterwalten und sie nicht neutralisieren zu lassen. So blieb der Bergfried, wie er gewesen war, als Hamearis noch lebte: ein Albtraum aus einem Schauerroman, der sich an einen Klippenrand schmiegte,von Brechern heimgesucht und von schweren Regenfällen und heulenden Winden gepeitscht.
    Völlig egal. Das passte zu seiner Stimmung.
    Hairstreak kletterte hinaus auf die Zinnen und raffte seinen Mantel fester um sich. Von diesem Aussichtspunkt aus konnte er die Auffahrt und das wütende Meer überblicken. Es waren keine Ouklous und keine Kutschen irgendwelcher Art zu sehen. Keine Boote, keine Flieger über seinem Kopf. Es kam niemand mehr vorbei. Wenn jemand gekommen wäre, hätten auch keine Diener ihn in Empfang nehmen können.
    Die Kälte strömte in seinen Mantel hinein, aber er ignorierte sie. An welchem Punkt, fragte er sich, war alles schiefgegangen? Es schien erst so kurze Zeit her zu sein, dass ihm die ganze Welt und alle ihre Möglichkeiten endlos offengestanden hatten. Seine Schwester mit dem Purpurkaiser vermählt. Seine Gefolgsleute fest hinter ihm. Es schien nur eine Frage der Zeit   – und zwar einer sehr kurzen Zeit   –, dass die Nachtelfen die Macht im Elfenreich übernommen hätten und er selbst sich an ihre Spitze gesetzt hätte.
    Und wie anders jetzt alles aussah. Sein Schwager, Apatura Iris, der alte Purpurkaiser, war tot, auferstanden und wieder gestorben. Apaturas Tochter saß auf dem Thron. Hairstreaks alter Dämonenfreund Beleth war auch tot   – das war doch unglaublich gewesen   – und Blue nun auch noch Herrscherin von Hael. Alle alten Allianzen und Bündnisse in Trümmern. Die Lichtelfen hatten so viel Macht wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Wie hatte alles nur so schrecklich schiefgehen können?
    Er streckte seine Hände aus, um das Mauerwerk der Zinnen zu packen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher