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Elfenlord

Elfenlord

Titel: Elfenlord
Autoren: H Brennan
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aber sonst war sie kaum noch wiederzuerkennen.
    »Blue!«, schrie Henry noch einmal.
    Die Veränderung an Lorquin war möglicherweise noch spektakulärer. Er sah zu Henry hinüber und warf ihm sein breites, vertrautes Lächeln zu. Aber nun war es das Lächeln auf dem Gesicht eines Mannes, eines gut aussehenden Mannes, der groß, kräftig und stolz war. Es war das Lächeln eines Helden, der hart gekämpft und viel gesehen hatte.
    Dann schwangen die Flügel zurück und falteten sich und plötzlich war Blue wieder Blue und Lorquin wieder ein Junge.
    Henry hörte seine eigene Stimme, als er schrie: »Geht nicht in die Nähe des Käfigs!«
    Leise sagte Blue: »Wir müssen ihn befreien   – er hat Schmerzen.«
    Natürlich hatte der Engel Schmerzen. Er war seit Wochen in diesen Käfig eingesperrt   – in diese Realität   –, wo er nicht aufrecht stehen konnte. Schlimmer noch war die Magie, die Brimstone eingesetzt hatte, um ihn einzusperren: Sie verbrannte den Leib des Engels wie mit heißen Eisen. Henry wusste all das, aber er wusste nicht, wie er das wissen konnte.
    Der Engel wandte seinen Kopf und sah ihm tief in die Augen.
    »Wir müssen ihn freilassen«, sagte Blue noch einmal.
    Der Engel sprach zu Henry, aber er sprach ohne Worte. Es war ein ganz ungewöhnliches Gefühl, intim und warm, als wäre man mit jemandem zusammen und stellte fest, dass man ihn liebte. Kein Wunder, dass diese Wesen angebetet worden waren. Wissen floss aus dem Geist des Engels in Henrys Geist. Kein Wunder, dass man sie Boten genannt hatte.
    Blue wollte wieder einen Schritt vorwärts machen, aber dieses Mal war Henry zu schnell für sie. Er schoss vor und packte sie am Arm. »Wenn du noch näher herangehst, bringt er dich um«, sagte er trocken.
    Blue sah ihn verständnislos an und blickte dann auf den Engel. »Er würde mir nichts tun«, sagte sie, ein wenig träumerisch.
    »Das will er auch nicht«, sagte Henry zu ihr. »Aber er sollte in dieser Realität nicht sein. Er verzerrt sie, verändert den Lauf der Zeit. Es wird noch schlimmer, wenn er diese Flügel bewegt   – sie strahlen in das ganze Elfenreich aus   –, aber wenn du ihm zu nahe kommst, ist es egal, ob er sie bewegt oder nicht. Schon die Nähe zu ihm bringt dich um.«
    Der träumerische Ausdruck verschwand von Blues Gesicht. »Wie sollen wir ihn befreien?«, fragte sie.
    »Wir werden ihn nicht befreien«, sagte Henry. »Ich werde das tun.«
    Blue begriff sofort. »Dir macht es nichts aus, weil du aus der Gegenwelt bist? Dies ist nicht deine Realität, also kannst du ihm nahe kommen, ohne dass er dich umbringt?«
    Henry holte tief Luft. »Ja, das glaube ich.« Er hoffte zu Gott, dass Blue es dabei belassen und ihn nicht weiter ausfragen würde.
    »Bist du sicher?«, fragte Blue.
    Henry ließ ihren Arm los. »Das kann ich nur auf eine Art herausfinden«, sagte er. Und er ging auf den Käfig zu.

ACHTUNDNEUNZIG
    O berzauberarztheiler Danaus runzelte die Stirn. Er sah gerade auf den eingefrorenen Körper der Waldelfenprinzessin Nymphalis hinunter, die in Stase neben ihrem Ehemann, Prinz Pyrgus, eingeschlossen lag. Beide wiesen die Verwüstungen des Alters auf, die mit dem Zeitfieber einhergingen, Pyrgus noch mehr als Nymphalis bislang   – seit die Stase das Fieber nicht mehr aufhielt, war er zu einem alten, sehr alten Mann geworden   –, aber auch Nymph trug deutlich die Spuren der Krankheit. Von einer jungen Frau hatte sie sich in eine reife Frau verwandelt, eine Frau mittleren Alters genauer gesagt, und er hatte vage in Erwägung gezogen, die Intensität des Stasefeldes zu erhöhen. Er glaubte zwar nicht, dass es irgendetwas bringen würde   – entweder war man in Stase oder nicht   –, aber ihm behagte das Gefühl der Hilflosigkeit nicht, das ihn überkam, wenn er absolut nichts tun konnte. So stand er da und starrte auf Nymphalis und   –
    Und sie sah ein wenig jünger aus.
    Was natürlich unmöglich war. Das Zeitfieber war eine Reise ohne Rückfahrkarte. Selbst wenn die Stase es noch stabilisierte, nichts konnte die Wirkung umkehren. Also bildete er sich das wahrscheinlich nur ein. Wunschdenken beeinflusste manchmal die Beobachtung, selbst eine geschulte Beobachtungsgabe. Dennoch wurde er das Gefühl nicht los, dass sie jünger wirkte. Ihre Hautfarbe sah besser aus. Er hätte schwören können, dass sie weniger, wenn auch nur geringfügig weniger Falten hatte.
    Aus einem Impuls heraus trat Danaus hinüber zu der Stasekammer, in der Pyrgus lag. Der Schock war
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