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Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied
Autoren: Bernhard Hennen
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ihre beste Freundin in die Zerbrochene Welt verbannt, an einen Ort, der für keinen anderen Bewohner Albenmarks erreichbar und an dem es so einsam war, dass man wahnsinnig werden musste. Warum wollte sie mich sehen? Warum wusste sie überhaupt von mir? Lag es an meiner Mutter? Gab es vielleicht eine Fehde zwischen ihr und der Königin? Je länger ich darüber nachgrübelte, desto unruhiger wurde ich.
    Flöhe spüren es, wenn man Angst hat. Auch sie werden dann unruhig und beginnen sich zu regen. Einer pikste mich in den Hals. Ich kratzte mich und wand mich im Sattel. Als ich den Quälgeist zu packen bekam und weit von mir in den Schnee schnippte, zügelte Alvias sein Ross. Er schwang sich aus dem Sattel.
    Ich ahnte, was kommen würde, und versuchte vom Pferd zu springen, aber es ist unheimlich mit den Elfen. Obwohl ich wirklich flink bin, kriegte er einen Fuß von mir zu packen. Mit der Schnauze voran drückte er mich in den Schnee. Ich strampelte und fluchte, aber er war einfach zu stark. Mein Widerstand war genauso nutzlos wie der des Flohs, den ich gerade seinem eisigen Schicksal überantwortet hatte.
    Er band meine Hände und Beine und steckte mich dann in einen Sack, sodass nur noch mein Kopf herauslugte. So verschnürt, schnallte er mich auf seine Satteltaschen.
    Auch wenn ich mich kaum bewegen konnte, wollte ich mich doch nicht geschlagen geben. Wir Lutin sind recht bewandert in der Kunst, Magie zu weben, was oft genug unser einziger Schutz ist. Meine Mutter hatte mir keinen der wirklich aufsehenerregenden Zauber beigebracht, da mir die nötige Reife fehlte und sie mich – völlig ungerechtfertigt – für ein wenig jähzornig hielt. Doch auch Kleinigkeiten vermögen Großes zu bewirken, wenn man den rechten Augenblick abwartet.
    Ich hatte viel Zeit, über meine Rache nachzusinnen. Alvias ritt fast den ganzen Tag, bis er einen seichten Fluss erreichte, der zwischen sanften Hügeln versteckt lag. Kahle Birken säumten das Ufer. Hier und dort wucherte schwarzes Brombeerdickicht. Im letzten Tageslicht erreichten wir eine breite Kieszunge, die weit in den Fluss hineinreichte. Dort waren Pfähle in den Boden gerammt, auf denen Büffelschädel steckten. Stoff und Lederfetzen flatterten im Winterwind. Schlichte, rotbraune Schalen und Krüge standen wahllos durcheinander. Halb im Schnee verborgen, entdeckte ich vertrocknete Blumen.
    Die Pfähle waren in einem wohl zwanzig Schritt weiten Kreis angeordnet. Als wir den Kultplatz der Kentauren betraten, sträubte sich mir das Fell. Deutlich spürte ich die Macht der Magie, die hier wirkte. Mit meiner Mutter war ich oft an ähnlichen Plätzen gewesen. Inmitten des Kreises lag, für die Augen unsichtbar, ein großer Albenstern, ein von Magie durchdrungener Ort, an dem sich sieben Albenpfade kreuzten. Hier konnte man ein Tor öffnen und auf die goldenen Pfade treten, die sich durch das Nichts zogen. So vermochte man binnen Augenblicken viele hundert Meilen weit zu reisen. Ja, sogar in andere Welten konnte man gelangen, wenn man sich auf den Pfaden verirrte. Und wer unvorsichtig seinen Zauber wob, der mochte gar in die Zukunft getragen werden; dies war eine Reise, von der es kein Zurück mehr gab. Und wenn man nicht unsterblich war wie ein Elf, dann kostete einen dieser Fehler alle Freunde, die man in der Welt nur hatte.
    Alvias ging bedacht und mit großer Konzentration vor, als er versuchte, das Tor ins Nichts zu öffnen. Ich merkte ihm an, dass er Angst hatte, einen Fehler zu machen. Welch ein Unterschied zu meiner Mutter! Sie hatte die Worte der Macht mit großer Selbstsicherheit gebraucht, ihre Zauber mit der Leichtigkeit einer Meisterin gewoben. Neben ihr war der Hofmeister der Elfenkönigin ein Stümper. Und da er mich nicht geknebelt hatte, sagte ich ihm auch, was ich von seiner Zauberkunst hielt.
    Das Einzige, was mir das einbrachte, war ein weiterer Schlag auf die Schnauze.
    Aber wie gesagt, wir Lutin sind allesamt begabte Zauberer, und ich hatte viele Stunden Zeit gehabt, mir zu überlegen, wie ich Alvias büßen lassen konnte.
    Hatte ich erwähnt, dass der Elf nach gar nichts roch? Nur sein Mantel hatte eine Spur von Parfüm an sich. Vielleicht hatte Alvias ja eine Geliebte. Die Sache mit dem Geruch wollte ich gründlich ändern.
    Meine Mutter war immer der Überzeugung gewesen, wenn man Fremde traf, dann sollte man am besten genauso riechen wie sie. Das stimme die anderen friedlicher, meinte sie. Es mag sich vielleicht seltsam anhören, aber meine Mutter und ich
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