Elfenbann
wie jene aus verschiedenen Jahreszeiten. Wahrscheinlich müsste ich halb Avalon testen, bevor ich brauchbare Schlussfolgerungen ziehen könnte.«
Als sie merkte, dass sie ihre Fingernägel in das Blütenblatt krallte, redete sie sich gut zu, sich zu entspannen.
Laurel hatte vier Halbmonde in das zuvor makellose Blau gebohrt. Sie legte das Blatt in die Schale zurück und rieb ihre Finger, um die zurückgebliebene Feuchtigkeit aus dem noch nicht völlig getrockneten Blatt zu entfernen.
Plötzlich hielt sie inne und rieb dann noch mal die Finger aneinander.
»Wahnsinn«, flüsterte sie. Beinahe hätte sie vergessen, dass Tamani auch noch da war.
Er wollte etwas sagen, aber sie brachte ihn mit erhobenem Zeigefinger zum Schweigen und konzentrierte sich auf die Essenz, die sie auf ihre Fingerspitzen geschmiert hatte. Das musste es sein. Unglaublich, dass es ihr nicht eher aufgefallen war.
So ist das, wenn man die Antwort direkt vor der Nase hat.
Laurel nahm das Blütenblatt wieder an sich, rannte aus der Küche und nahm zwei Stufen auf einmal. Oben holte sie ihre letzten Schalen mit blauem Pulver und rief sich zur Ordnung.
»Alles okay?«, fragte Tamani an der Tür.
»Ja, alles gut«, antwortete sie mit zitternden Händen. Sie leckte an ihrem Finger und nahm einige Körner des blauen Pulvers auf. Dann rieb sie Daumen und Zeigefinger aneinander. Das Gefühl war fast dasselbe wie eben.
»Was …«
»Der Hauptbestandteil des Pulvers. Der, den ich die ganze Zeit gesucht habe. Der blühende Baum. Ich fasse es nicht, dass es mir nicht eher eingefallen ist. Dabei wusste ich sogar, dass es möglich ist«, sagte sie. »Nachdem du mich neulich geküsst hast, wusste ich, dass Elfen
als Inhaltsstoffe benutzt werden können, und trotzdem bin ich nicht darauf gekommen …«
»Laurel!«, sagte Tamani und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Was ist es?«
Laurel hielt das lange hellblaue Blütenblatt hoch, das sie mitgenommen hatte. »Das ist es«, sagte sie und konnte kaum glauben, dass diese Worte aus ihrem Mund kamen, »Elfenblüte.«
»Aber … Yuki hat nicht geblüht – jedenfalls nicht, seit ich an ihr dran bin. Sonst …« Tamani wackelte mit den Fingern, wo sich der verräterische Pollen gezeigt und Yukis Geheimnis verraten hätte. »Wenn sie keine Frühlings- oder Sommerelfe ist, kann diese Blüte nicht von ihr sein.«
»Also, ich weiß nicht«, schnitt Laurel ihm das Wort ab. »Irgendwas stimmt mit diesem Pulver nicht. Ich glaube …« Laurel musste sich zwingen, sich ein wenig zu entspannen und ihrer Intuition zu vertrauen, so schrecklich es auch war. »Ich glaube, die Blütenblätter müssen frisch sein und nicht getrocknet oder verwelkt. Tamani, jemand hat diese Blütenblätter abgeschnitten.« Bei dieser makabren Erklärung lief ihr ein Schauer über den Rücken. Es hatte gebrannt, auch nur kleine Stückchen von ihrer Blüte abzuschneiden, und als ein Ork ihr ein Viertel davon ausgerissen hatte, hatte sie tagelang Schmerzen gehabt. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie weh es tun musste, die ganze Blüte abzuschneiden. Doch für einen Abwehrzauber, der eine Hütte im Wald verbarg, wurden so viele Blütenblätter benötigt.
»Wenn man eine Blüte abschneidet, bleibt immer noch
etwas zurück. Ich habe Yukis Rücken beim Herbstball sehr genau abgetastet und nur Haut gefühlt. Falls sie tatsächlich eine Herbstelfe wäre und das Pulver hergestellt hätte, kann die Blüte nicht von ihr gewesen sein.«
Hörte sie da Hoffnung in seiner Stimme? Laurel wollte nicht zu gründlich darüber nachdenken. Hatte sie nicht früher auch gehofft, dass Yuki unschuldig war? »Das ergibt aber keinen Sinn. Warum sollte sie ein Versteck für Orks schaffen? Ich dachte, sie wären hinter ihr her!«
Tamani schwieg. »Was wissen wir überhaupt von Klea? Gesicherte Tatsachen, meine ich«, sagte er dann.
»Sie mag Pistolen«, antwortete Laurel. »Und sie trägt eine dämliche Sonnenbrille, die sie nie abnimmt.«
»Warum sollte jemand die ganze Zeit eine Sonnenbrille tragen?«, fragte Tamani.
»Weil man seine Augen nicht zeigen will …« Laurel dämmerte etwas.
»Und du hast gesagt, sie könnte auf keinen Fall eine Blüte unter ihren engen Sachen verbergen, aber …«
»Aber wenn sie sie abgeschnitten hätte, gäbe es eben auch nichts zu verbergen.« Klea. Eine Elfe. Laurels Gedanken rasten. Ihr Vater wäre beinahe durch Elfengift gestorben. Im letzten Jahr waren Laurels Wachposten mit Elfenblut weggelockt worden. Und
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