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Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)

Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)

Titel: Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
Autoren: Alfred Bekker
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Barden und Geschichtenerzähler angesehen.
     
    Doch so sehr sich mein Verstand auch sträubte, das Bild, das meine Augen mir lieferten, anzuerkennen: Es gab keinen Weg an der Wirklichkeit vorbei.
    „Die alten Geschichten sind wahr!“, erklärte Lakyr. „Ich habe mich geirrt.“
    „Ja, und wir werden noch sehen, wie teuer uns dieser Irrtum kommen wird!“, rief Delengi schrill.
    „Ihr brauchtet ja nicht mit uns zu kommen, Priester. Und es zwingt Euch auch jetzt keiner. Geht, wenn Ihr wollt. Noch sind wir keinem leibhaftigen Gott gegenübergestanden! Ihr könntet Euch also davonstehlen …“
    Aber Delengi schüttelte energisch den Kopf.
    „Die Fähigkeiten der Götter gehen über die der Menschen weit hinaus. Ich spüre, dass Arodnap, mein Meister Arodnap, den ich verleugnete, von dem ich mich lossagte, um einem Ungläubigen zu folgen, weiß, dass ich gekommen bin – und in welch frevlerischer Absicht! Oh, nein! Weglaufen ist jetzt keine Lösung mehr! Ich kann allenfalls vor ihn hintreten und um Gnade bitten – wenn ich auch weiß, dass sie mir kaum gewährt werden wird. Mein Ende ist nahe …“
    „Was denkt Ihr, Keregin? Wie sollen wir uns verhalten?“ Lakyrs Frage weckte mich aus meinen Tagträumen.
    „Vielleicht – noch wissen wir das nicht genau – haben wir uns in unserer Grundannahme geirrt, das ist richtig. Wir haben hier oben etwas anderes vorgefunden, als wir gedacht hatten. Aber der Aufwand unserer Reise soll dennoch nicht umsonst gewesen sein! Gehen wir in diese Burg hinein und schauen uns an, wer darin lebt, seien es nun Götter oder lediglich Ratten und Fledermäuse!“ Wir passierten die heruntergelassene Zugbrücke und das Burgtor.
    Das Alter dieses Bauwerks war schwer zu schätzen. Vielleicht war die Nebelburg so alt wie die Menschheit selbst und doch – sie zeigte keine Zeichen übermäßigen Verfalls. Stolz und arrogant stand sie da und schien ganz offensichtlich bewohnt zu sein!
     
    Als wir über den Burghof gingen, kamen wir an den Stallungen vorbei, die seltsame, mitunter skurrile Wesenheiten beherbergten: Haus- und Reittiere der Götter, so vermutete ich.
    Dann bemerkte ich eine Gestalt, die an der Brustwehr lehnte und gedankenverloren in den Nebel starrte. Sie musste uns beobachtet haben, als wir uns der Burg näherten.
    Die Gestalt – ein Mann – drehte sich kurz zu uns herum, schien aber nicht weiter Notiz von uns zu nehmen.
    Doch nun hatte ich sein Gesicht gesehen – und erkannt!
    Es war dasselbe Gesicht, das mich von Dutzenden von Statuen und Büsten aus angesehen hatte, in den Tempeln von Balan, Rôlsur –
    und auch bei uns in Palniarak.
    Jene Gestalt war der Gott Mergun, Mergun der Befreier, wie er von vielen seiner Anhänger genannt wurde.
    Ich lief auf jene Gestalt, die ich erkannt zu haben glaubte, zu und sprach sie an.
    „Seid Ihr nicht Mergun, jener Gott, der auch ‚der Befreier’
     
    genannt wird?“
    Mergun – er war es unzweifelhaft, da war ich mir jetzt ganz sicher
    – tat, als hätte er mich nicht gehört und starrte weiter in den Nebel, gedankenverloren, Melancholie in den Gesichtszügen – und gerade so, als wäre ich gar nicht vorhanden.
    „Wir sind zwar nur eine kleine Gruppe von Sterblichen, die nach einer entbehrungsreichen Reise hier herauf auf den Gipfel des Uytrirran gelangt ist, aber ich hätte nie gedacht, dass Eure Arroganz uns gegenüber so groß ist, dass Ihr Euch sogar weigert, von uns Notiz zu nehmen!“
    Mergun zuckte – ohne mich anzusehen – mit den Schultern.
    „Es ist nicht Arroganz“, sagte er dann leise. „Es ist Gleichgültigkeit.“
    Dann wandte er sich zu uns um und musterte einen nach dem anderen. „Ihr seid Sterbliche?“ Er lächelte freudlos. „Wie könnt Ihr erwarten, dass Ihr irgendein Interesse in mir erregt, wo ich mich doch kaum noch für mich selbst interessiere!“
     
    „Die alten Schriften berichten davon, dass das einmal anders war, dass Ihr Euch früher um das Schicksal der Sterblichen gesorgt habt, dass Ihr versuchtet, die Götter zu stürzen, um die Menschen zu Herren über ihr eigenes Schicksal zu machen!“
    Mergun nickte schwach.
    „Ja, das ist richtig. Aber als die Götter gestürzt waren, stellte sich heraus, dass die Menschen nicht Herr ihres Schicksals sein wollen, dass sie die Verantwortung, die daraus entspringen würde, im Grunde ihres Herzens ablehnen. Und so schufen sie sich die Götter von neuem.
    Durch die Kraft seines Glaubens hält der Mensch die Götter am Leben.
    Der Mensch –
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