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Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby
Autoren: Douglas Coupland
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Weise hat sie also nicht das Geringste mit dem Tod zu tun. So gesehen ist eine Beerdigung etwas Schönes.

~8~
    William, mein großer Bruder und vielleicht mein bester Freund, wartete bis zum Abend, um nach mir zu sehen, gleich nach Das letzte Ufer. Als der Abspann lief, saß ich im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos da und malte mir die radioaktiv verstrahlte Erde aus, bevölkert von verwesten Leichen, die in ihren Büros und Küchen sitzen, in Autos und auf dem Rasen vor den Häusern. Als William hereinkam, sagte ich, glaube ich, nicht mal Hallo — ich schniefte nur, aber die rührselige Stimmung verzog sich in dem Moment, als ich meine beiden zutiefst bösartigen Neffen, Hunter und Chase, hinter ihm hereinrennen sah.
    »Oje, Lizzie, deine Augen sehen aus wie zwei Pisslöcher im Schnee. Ich kann nicht lange bleiben. Ich muss heute Nacht noch nach London fliegen.«
    »Hallo, William.«
    Die Zwillinge greinten unisono: »Wir haben Hunnnnnnnger«, und dann sagte Chase gnadenlos offenherzig zu seinem Vater: »In Tante Lizzies Wohnung ist es blöd. Du hast doch gesagt, wir dürfen in die Spielhalle.«
    Ich sagte: »Hallo, Hunter. Hallo, Chase.« Wie üblich ignorierten mich die beiden.
    William wandte sich an seine Söhne. »Tja, wenn ich euch gesagt hätte, dass wir zu Lizzie fahren, hätte ich euch niemals ins Auto gekriegt.«
    »Du hast gelogen!«
    »Hab ich nicht, und wenn - und nur wenn - ihr euch benehmt, bringe ich euch vielleicht doch noch in die Spielhalle. Also haltet verdammt noch mal die Klappe und lasst uns in Ruhe.« Dann warf William mir einen Blick zu: »Ich werde immer mehr wie Vater«, sagte er.
    »Du wirst? Das bist du doch schon.«
    Die Zwillinge hatten die Küche gestürmt und die Essensreste entdeckt. »Ist noch Wackelpudding da?« »Nein.«
    »Ich finde es schrecklich hier.«
    »Danke, Chase. Nimm dir was von dem Schokopudding.« »Wir dürfen keine Milchprodukte essen.« Ich schaute William an. »Seit wann das denn?« »Daran ist Nancys Familie schuld«, sagte er. »Nehmt euch was zum Knabbern, Jungs. Zweite Schublade von oben.«
    Als sie feststellten, dass es bloß Cracker gab, knallten sie die Schublade wieder zu. »Komm, Hunter, wir schauen fern.« Chase gab stets den Ton an.
    Innerhalb kürzester Zeit hatten sie meine Couch in Beschlag genommen und klebten vor einer Wrestling-Show. Es war furchtbar laut, aber wenigstens brachte es che beiden zum Schweigen.
    »Du hättest nicht herkommen müssen, William. Mir geht's gut. Es sind doch bloß Weisheitszähne.«
    »Mutter meinte, du siehst ziemlich schlecht aus. Und außerdem ziemlich deprimiert.«
    »Wirklich?«
    . »Hier drinnen riecht es wie in einem Aschenbecher.«
    »Ich rauche gelegentlich. Und Leslie hat mich besucht.«
    »Das wäre eine Erklärung. Ich darf mal diese gräßlichen Vorhänge aufziehen, ja? Wo hast du die bloß aufgetrieben — in einer griechischen Bingo-Halle?«
    Die Vorhänge hatten schon bei der Wohnungsübergabe vor den Fenstern gehangen. Sie waren senfgelb mit einem orangegoldenen Brokatmuster, und ich habe den Verdacht, dass die Frau des Bauunternehmers sie ausgesucht hat.
    »Hör auf, William. Ich weiß, wie trostlos es hier ist, okay?« War meine Wohnung wirklich so deprimierend? Auf dem Teppich konnte ich zwei kleine, schwache Ovale sehen, wo ich ihn mal etwas zu gründlich gereinigt hatte — eine Pizza, die auf dem Kopf gelandet war, und ein Filzstift, den ich beim Einpacken der Weihnachtsgeschenke hatte fallen lassen.
    »Nancy konnte nicht. Sie lässt dich grüßen«, sagte mein Bruder.
    »Grüß zurück.« Das war ein Scherz, denn Williams Frau Nancy und ich können einander nicht ausstehen. An Thanksgiving habe ich ihr mal gesagt, sie hätte zu viel Parfüm aufgelegt. Sie konterte, meine Haare sähen aus wie ein Toupet, und davon hat unsere Beziehung sich nie wieder erholt. Eine derartige Kluft kann nur noch tiefer werden.
    Ein Schrei gellte vom Sofa her. Chase hatte auf der Fernbedienung einen Knopf gedrückt, der dem Fernseher irgendwie die Fähigkeit genommen hatte, das Kabelsignal zu empfangen.
    Nun dröhnte in voller Lautstärke ein weißes Rauschen aus dem Gerät, das mir durch Mark und Bein ging. Die Jungs stritten darum, wer schuld war, erörterten dann lautstark, wie man es reparieren könnte, und ließen sich schließlich dazu herab, mich zu fragen. In der Hoffnung, ich könnte damit ihren Aufbruch beschleunigen, tat ich so, als hätte ich keine Ahnung. William schaltete den Fernseher aus und
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