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Elchmus (German Edition)

Elchmus (German Edition)

Titel: Elchmus (German Edition)
Autoren: Silke Brocks
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hat sich voll und ganz in ihr Gehirn eingenistet. Wie ein Kuckuckskind im fremden Nest. Es gibt keine Löschtaste für diesen Gedanken.
     
    Elke sitzt in der neuen Runde und ist sich mit einem Mal sicher, dass sie nun lediglich den Ort ihres täglichen Schaffens gewechselt hat. In zwanzig Jahren wird sie so alt sein wie Herrn Kessner und noch immer in einem Büro sitzen und an ihn denken. Sie muss endlich damit aufhören. Diese Gedanken stoppen. Sie ist jetzt in London. Für einen Neuanfang, sowohl beruflich als auch privat.
    Malcolm lobt gerade ihre Sprachkenntnisse und strahlt sie mit breiten Grinsen und krummen Zähnen an. Sie blickt angestrengt auf die weiße Wand hinter ihm. Malcolm spricht unbeeindruckt weiter. Es ist zehn Uhr. Eine Stunde hat sie jetzt schon hinter sich und der eigentliche Arbeitstag beginnt. Ihr erstes Team-Meeting ist beendet. Alle duzen sich auf der Insel. You ist und bleibt für alle You. Egal ob Direktor oder Sekretöse.
     
    Es folgt eine Einleitung für ihre Arbeit. Shaun ist dafür zuständig und Shaun kann das auch bestimmt gut. Ist ganz bestimmt nicht das schwarze Schaf im Team, sonst hätte er diese Aufgabe nicht bekommen. Er sieht eher durchschnittlich aus und ist nicht sehr groß. Vielleicht 1.70 m, schätzt sie. Keine Ahnung wie viel das in Inches ist. Hat einen kleinen Waschbärbauch und auch etwas zu volle Wangen. Wiegt wahrscheinlich ein paar Stone zu viel. Er trägt wie alle hier ein weißes gebügeltes Hemd und langweilige dunkelblaue Bundfaltenhosen dazu. Einen Knackpo hat er darin nicht. Darunter? Sie denkt wieder an Herrn Kessner. Sie muss jetzt aber wirklich aufhören damit.
    Shaun hockt erklärend neben ihr und zeigt ihr ernst das firmeninterne Computer-Programm. Flink springen seine nicht sehr langen Finger über die Tastatur. Macht er aber trotzdem gut. Sie kann mit ihm ganz zufrieden sein. Gerade zeigt er ihr, wie man mit dem tollen Programm eine wichtige Verknüpfung erstellen kann. Aus den Augenwinkeln sieht sie einen Kollegen mit einer Packung Zigaretten durchs Büro huschen. Wie Herr Kessner das immer gemacht hat. Sie muss echt aufhören damit. Schafft es aber nicht. Er ist nicht mehr da und wird auch weiterhin ein Niemand in ihrem Leben sein. Irgendwann zockelt Shaun dann ab. Mission erledigt. Gedanken endlich tot.
     
    Sie sitzt am Schreibtisch und ist sich überhaupt nicht mehr sicher, ob sie sich diesen neuen Job wirklich selber ausgesucht hat. Wie ging das jetzt noch mal? In ihrem alten Job hatte sie das Programm wie aus dem ff beherrscht. Hier muss sie zurzeit noch der schlaue, interessierte Blick über Wasser halten, aber sie ist ja lernfähig. Es ist ein langer Tag. Jetzt, hier, ohne ihre vertraute Umgebung, denkt sie noch immer an Herrn Kessner. Endlich. 5 Uhr. Tea Time. Feierabend. Woanders sein hilft überhaupt nicht.
     
    Auf der Straße vorm Büro ist ein Pub. Hunderte stehen mit Pint-Gläsern draußen rum. Zur Feier des Feierabends. Die Londoner lieben ihr Pub, hatte der Reiseführer gesagt. Das stimmt wohl tatsächlich. Es gibt Bier in den Variationen Lager, Ale und Bitter für drei Pfund das Pint, wie eine alte Schultafel auf stabilen Beinen sachlich nüchtern anpreist. Außerdem gibt es auch noch Cider oder Wein für die Ladies zum halben Preis. Alkohol im Büro selber wäre nicht denkbar gewesen, aber in England gehört das Pub zur Arbeit wie das Bier in die Kneipe.
     
    Jemand ruft ihren Namen. „Elkie?“ Ah, das war doch Jo-Anne aus ihrer Abteilung. „Ja?“ Noch bevor sie etwas anderes sagen kann, hat sie schon ein Pint im echten Glas in der Hand. Elke traut sich nicht unhöflich zu sein. Hat sich ihr erstes Bier auf der Insel aber anders vorgesellt. Ein richtiger Willkommenstrunk sieht für eine Lady halt anders aus. Seit der viktorianischen Zeit gibt es Pubs, lacht Justus Jonas von den drei Fragezeichen schlau in ihr. Das große Pintglas umfasst bestimmt einen halben Liter und ist randvoll, schwappt aber nicht über. Schaumkrone Fehlanzeige. Wird aber langsam leerer. Schluck für Schluck. Und sie zunehmend beschwipster. Schluck für Schluck.
    Andrew holt bereits Nachschub und wird so bestimmt nicht ihr neuer Freund. Auch Mick trinkt sein Pint auf Ex, als gäbe es nie mehr eins. Elke sagt mehrmals, dass es ihr schmeckt, das englische Bier und so fängt es ja auch immer an. Wenn man erst mal ein paar Schluck genommen hat, wird aus dem Nippen Trinken. Gluck. Gluck. Eins nehm ich noch, sagt Mick und bringt Elke ungefragt eins mit. Mit dem
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