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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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scharfkantigen Holzsplitter duckten, die wie
gefährlicher Regen auf sie herabprasselten, fuhren Lancelot und das Einhorn wie ein Wirbelsturm unter die Männer. Seine wütenden Schwertstreiche und die nicht minder
wütenden Stöße mit dem Schild schleuderten die Ritter
beiseite, ohne einen von ihnen wirklich zu treffen, zu verletzen oder gar zu töten, und wer sich nicht schnell genug
in Sicherheit brachte, der wurde von der gepanzerten Brust
des Einhorns getroffen. Mit wenigen gewaltigen Sätzen
erreichte Lancelot den hölzernen Aufbau und das Tier
setzte mit einem einzigen Sprung hinauf. Hinter sich hörte
er einen wütenden Schrei, der sich laut in die durcheinander rufenden Stimmen der Ritter und Soldaten mischte,
und er wusste, dass Artus losrannte und dabei seine Waffe
zog, ohne sich zu ihm herumdrehen zu müssen. Er beugte
sich im Sattel vor und führte das Elbenschwert zu einem
einzigen wuchtigen Hieb, der die Stricke durchtrennte, mit
welchen Gwinneths Handgelenke aneinander gebunden
waren. Noch während sie keuchend nach vorne stolperte,
registrierte Lancelot voller Entsetzen, dass der Scharfrichter sein Werk bereits getan hatte: An zwei Stellen züngelten Flammen aus dem Reisig und Gwinneths weißes Kleid
und ihr Mantel waren am Saum schon angesengt. Tatsächlich leckten winzige Flämmchen nach ihren Füßen und
Lancelot beugte sich weiter vor und schlug ein zweites
Mal mit dem Elbenschwert zu. Die Waffe, die mühelos
Stahl und Stein zu zerschneiden vermochte, trennte ebenso
mühelos und präzise den schwelenden Saum von Gwinneths Kleid ab, ohne die Haut darunter auch nur zu ritzen,
und Lancelot warf sich im Sattel zur Seite, griff nach
Gwinneths Arm und zog sie mit einer einzigen kraftvollen
Bewegung zu sich auf den Rücken des Einhorns.
Praktisch im selben Augenblick stieg das Fabelwesen
auf die Hinterläufe und drehte sich auf der Stelle herum,
wobei seine wirbelnden Vorderhufe den Pfahl trafen und
wie einen morschen Ast zerbersten ließen.
Hinter ihm schrie Gwinneth auf und Lancelot sah aus
den Augenwinkeln, wie Artus mit wehendem Mantel heranstürmte, das Gesicht zu einer Maske des Hasses verzerrt
und Excalibur in der rechten Hand. Das Elbenschwert in
Lancelots Fingern schien lautlos aufzuschreien, als es die
Nähe seines Bruders spürte und sich mit ihm messen wollte, und das Einhorn beendete seine Drehung und sprang
mit einem gewaltigen Satz von dem hölzernen Podest herab und mitten unter die noch immer in Panik durcheinander laufenden Ritter und Wachtposten. Zwei, wenn nicht
drei oder mehr Männer wurden von dem Tier getroffen
und zur Seite geschleudert, aber ein oder zwei Männer
hatten ihre Überraschung bereits weit genug überwunden,
um ihre Waffen zu ziehen und sich ihm entgegenzustellen.
Zu seinem maßlosen Entsetzen erkannte Lancelot auch
Galahad unter ihnen.
Während sich das Einhorn mit brutaler Kraft seinen Weg
durch die Reihen der Männer bahnte, schwang Lancelot
die Elbenklinge in weit geführten Hieben. Wie so oft war
es das Schwert, das seinen Arm lenkte, und nicht umgekehrt, aber er mobilisierte all seine Kräfte und jedes bisschen Willen, die er noch aufbringen konnte, und es gelang
ihm, stets nur die Schwerter der Angreifer zu treffen, die
unter den wuchtigen Hieben seiner Waffe zersprangen wie
Glas. Einen oder zwei Männer stieß er mit dem Schild zu
Boden und dann war er endlich durch und sprengte auf das
Tor zu –
Und vor ihm stand Artus.
Das Einhorn wurde nicht langsamer. Obwohl Artus
breitbeinig und reglos mit hoch erhobenem Schwert dastand und ihm finster entgegenblickte, schien er gleichzeitig auf ihn zuzurasen und die Zeit lief atemberaubend
schnell wie endlos langsam: Er sah, wie Artus das Schwert
in die Höhe riss und zu einem beidhändig geführten Hieb
schwang, sah die tödliche Entschlossenheit in seinen Augen, aber auch das Entsetzen, und dann zuckte die Elbenklinge wie von selbst vor, warf sich dem herabsausenden Excalibur in den Weg –
Und die Welt schien aus den Fugen zu geraten.
Die beiden magischen Klingen prallten mit einem Geräusch aufeinander, wie kein Mensch es je zuvor gehört
hatte. Es war nicht das Klirren von Stahl, es war das Kreischen zweier entfesselter, vollkommen gegensätzlicher
Naturgewalten, die so alt waren wie die Welt und so lange
verfeindet, wie es sie gab. Lancelot spürte keinen
Schmerz, er spürte nicht die Wucht des Hiebes, nicht die
Kraft, mit der die Elbenklinge zurückgeschleudert
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