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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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keinen Ritter.«
»Aber das kann nicht sein!« Lancelot schrie jetzt. Es war
ihm egal, ob die Männer oben auf den Zinnen ihn hörten
oder nicht. »Artus liebt Gwinneth! Er würde hundertmal
sterben, ehe er zuließe, dass ihr auch nur ein Haar gekrümmt wird!«
»Und er würde ihr lieber mit eigener Hand die Kehle
durchschneiden, ehe er zuließe, dass Mordred sie bekommt«, sagte Mandrake. »Hast du es immer noch nicht
verstanden? Es geht hier nicht um Liebe oder Menschlichkeit. Es geht einzig um Macht. Morgaine und ihr Bastard
wollen die Macht über Camelot und damit ganz England,
und wenn Artus aus dem Weg geräumt und Mordred mit
Gwinneth vermählt ist, dann gibt es nichts mehr, was sie
noch aufhalten kann. Glaubst du, Artus weiß das nicht? Ja,
du hast Recht. In dieser Beziehung seid ihr euch sehr ähnlich. Er ist blind vor Liebe. Er würde sein eigenes Leben
und das all seiner Ritter ohne zu zögern opfern, um Lady
Gwinneth zu retten. Aber sein Hass auf Morgaine und
ihren Bastard sind noch größer. Er weiß, dass er nicht
mehr gewinnen kann. Diese Schlacht ist verloren, bevor
sie begonnen hat, aber der Sieg ist sinnlos für Morgaine,
wenn es den Siegespreis für diesen Krieg nicht mehr gibt.«
Und damit hatte er Recht. Lancelot hatte es schon begriffen, noch bevor Mandrake die Worte ganz ausgesprochen
hatte. Es war das Einzige, was Sinn machte.
Der einzige Weg, wie Artus am Ende doch noch über
Morgaine Le Faye und Mordred triumphieren würde.
Und doch war er so entsetzlich. So unmenschlich , dass
Lancelot laut aufstöhnte. Wem nutzte ein Sieg, wenn man
dafür alles zerstörte, worum man überhaupt gekämpft hatte?
»Warum erzählt Ihr mir das?«, flüsterte er.
»Das habe ich dir doch gesagt«, entgegnete Mandrake.
»Ich bin dir etwas schuldig.«
»Unsinn!«, widersprach Lancelot. »Ihr wisst ganz genau,
was ich jetzt tun muss.«
Mandrake schwieg.
»Warum?!«
Mandrake antwortete auch jetzt nicht, aber er machte einen Schritt zurück, drehte sich herum und blickte für einen
Moment in die Richtung, in der das Heer der Pikten in der
Dunkelheit lagerte und auf den Sonnenaufgang und damit
das Signal zum endgültigen Sturm auf Camelot wartete.
Als er sich wieder Lancelot zuwandte, war sein Gesicht so
leer wie zuvor und seine Stimme klang so kalt und herablassend, wie Lancelot sie gewohnt war.
»Ich habe meine Schulden jetzt bezahlt, Sir Lancelot«,
sagte er. »Aber versteht das nicht falsch. Ihr habt Artus
gehört. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, werden wir
Feinde sein.«
    Es war noch immer auf dieselbe unheimliche Weise still
wie zuvor. Seit Lancelot die Stadt verlassen hatte, mussten
zwei, wenn nicht drei Stunden vergangen sein; obwohl er
den Himmel nicht sehen konnte, wusste er, dass sich im
Osten jetzt schon das erste Grau in das samtige Blau der
Nacht mengte und die Lagerfeuer des piktischen Heeres
allmählich an Helligkeit zu verlieren begannen. Die Männer dort würden sich jetzt recken, verschlafen nach dem
Wasserbeutel greifen oder ihre Waffen einer letzten sorgsamen Überprüfung unterziehen – falls sie in der vergangenen Nacht überhaupt Schlaf gefunden hatten, was sicherlich auf die wenigsten zutraf. Auch die Wachen oben
hinter den Zinnen der Stadtmauer würden jetzt die Feuer
unter den Ölkesseln neu zu schüren beginnen, ihre Kettenhemden und Helme auf sicheren Sitz überprüfen und mit
klopfendem Herzen nach Norden blicken, wo das Land
selbst zu unheimlicher, wogender Bewegung zu erwachen
begann.
    Sehen konnte Lancelot nichts von alledem. Er befand
sich in einem winzigen fensterlosen Raum, der sich hinter
dem düsteren Gewölbe befand, das Merlin früher als Bibliothek benutzt hatte. In einem anderen Leben war
Lancelot oft hierher gekommen, um sich insgeheim eine
halbe Stunde Schlaf zu erschleichen, denn der Raum
wurde nur selten benutzt und diente im Grunde als Lager
für Dinge, die längst weggeworfen gehörten, von denen
sich Merlin aber nicht hatte trennen können, und Merlin,
der in jenem anderen Leben Dagda geheißen und die Rolle
des liebenswert vertrottelten Mundschenks und Kochs
gespielt hatte, hatte seinerseits so getan, als merke er es
nicht. Das einzige Licht kam von einem kaum handbreiten
Luftschacht unter der Decke, der in schrägem Winkel nach
oben führte, und der Unrat auf dem Boden und der Staub,
der sich überall abgelagert hatte, zeigten Lancelot, dass die
Kammer jetzt noch viel seltener benutzt wurde als damals.
    Das
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