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Elantris

Elantris

Titel: Elantris
Autoren: Brandon Sanderson
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schon Bettler in den Außenstädten gesehen, und wahrscheinlich war er etliche Male Betrügern auf den Leim gegangen. Dieser Junge spielte ihm jedoch kein Theater vor.
Raoden holte den Brotlaib aus dem Korb mit den Opfergaben und reichte ihn dem Jungen. Das ungläubige Staunen, das über das Gesicht des Jungen huschte, war auf gewisse Weise beunruhigender als die Verzweiflung, die es ablöste. Diese Kreatur hatte bereits vor langer Zeit jegliche Hoffnung aufgegeben. Wahrscheinlich bettelte er mehr aus Gewohnheit, als weil er tatsächlich etwas erwartete.
Raoden ließ den Jungen hinter sich, drehte sich um und folgte weiter dem schmalen Sträßchen. Er hatte gehofft, die Stadt würde jenseits des Platzes am Stadttor nicht mehr so schrecklich aussehen - vielleicht weil er geglaubt hatte, der ganze Schmutz rühre daher, dass der Platz relativ stark besucht war. Er hatte sich getäuscht: Die Straße war genauso dreckig wie der Platz, wenn nicht noch dreckiger.
Von hinten erklang ein dumpfer Schlag. Überrascht drehte Raoden sich um. Am Eingang der Gasse befand sich eine Gruppe dunkler Gestalten und kauerte um etwas auf dem Boden. Den Bettler. Bebend beobachtete Raoden, wie fünf Männer seinen Brotlaib hinunterschlangen, wobei sie untereinander kämpften und die verzweifelten Schreie des Jungen ignorierten. Schließlich ließ einer der Neuankömmlinge, der offensichtlich verärgert war, einen behelfsmäßigen Knüppel mit solcher Wucht auf den Kopf des Jungen niedersausen, dass das knirschende Geräusch in der ganzen Gasse widerhallte.
Nachdem die Männer das Brot aufgegessen hatten, wandten sie sich zu Raoden um. Ängstlich wich er einen Schritt zurück. Anscheinend war die Annahme, dass er nicht verfolgt wurde, voreilig gewesen. Die fünf Männer gingen steifbeinig vorwärts. Da wirbelte Raoden herum und rannte los.
Hinter sich konnte er seine Verfolger hören. Erschrocken hastete er davon - etwas, wozu er als Prinz noch nie zuvor gezwungen gewesen war. Er rannte wie ein Wahnsinniger und rechnete damit, außer Atem zu geraten und Seitenstechen zu bekommen, was ihm normalerweise passierte, wenn er sich überanstrengte. Nichts davon geschah. Stattdessen überkam ihn lediglich eine schreckliche Müdigkeit, und er fühlte sich so schwach, dass er gewiss bald zusammenbrechen würde. Es war ein qualvolles Gefühl, als versickere sein Leben nach und nach.
Verzweifelt schleuderte Raoden den Opferkorb über seinen Kopf. Die linkische Bewegung brachte ihn aus dem Gleichgewicht, und ein Spalt im Kopfsteinpflaster, den er nicht gesehen hatte, ließ ihn ungeschickt vorwärtsschlittern, bis er gegen einen Haufen morschen Holzes taumelte. Das Holz, bei dem es sich vielleicht einst um einen Kistenstapel gehandelt hatte, gab ein dumpfes Geräusch von sich und bremste seinen Sturz.
Raoden setzte sich rasch wieder auf, wobei die moderigen Holzsplitter von ihm abfielen. Seine Angreifer hatten jedoch längst das Interesse an ihm verloren. Die fünf Männer kauerten inmitten des Straßendrecks und pickten das verstreute Gemüse und die Getreidekörner von den Pflastersteinen und aus den dunklen Pfützen. Raodens Magen verkrampfte sich, als einer der Männer den Finger in eine Ritze steckte und eine Hand voll dunkler Masse hervorkratzte, die mehr aus Dreck als aus Getreide bestand. Dann stopfte er sich den Brei gierig in de n Mund. Brackiger Speichel troff dem Mann vom Kinn. Sein Mund glich einem Topf voll Schlamm, der auf einem Herd kochte.
Ein Mann bemerkte, dass Raoden sie beobachtete. Der Kerl stieß ein Knurren aus und packte den Knüppel, der beinahe vergessen auf dem Boden neben ihm lag. Fieberhaft suchte Raoden nach einer Waffe und bekam ein Stück Holz zu greifen, das nicht ganz so morsch wie der Rest war. Er hielt seine Waffe unsicher in den Händen und versuchte, möglichst gefährlich zu wirken.
Der Schläger hielt inne. Eine Sekunde später erregte ein Freudenschrei hinter ihm seine Aufmerksamkeit: Einer der anderen hatte den winzigen Schlauch Wein gefunden. Bei dem folgenden Gerangel geriet Raoden anscheinend völlig in Vergessenheit, und schon bald waren alle fünf Männer verschwunden - vier jagten hinter dem einen her, der das Glück, oder den törichten Einfall, gehabt hatte, mit dem kostbaren Alkohol zu entkommen.
Vollständig überwältigt blieb Raoden inmitten der Trümmer sitzen. Das hier wird aus dir werden ...
»Sieht aus, als hätten sie Euch vergessen, Sule«, stellte eine Stimme fest.
Raoden zuckte zusammen und
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