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Eiszart

Eiszart

Titel: Eiszart
Autoren: Kerstin Dirks
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schweren Seufzen, als Giffard zwei Eintrittskarten kaufte und ihm das Papierstück mit einem Grinsen reichte.
    »Geht auf mich. Ich lade dich ein, alter Freund. Lehne es nicht ab, ich habe immerhin meine letzten Centimes für dich ausgegeben.«
    Widerwillig folgte Beaumont ihm ins Innere des Zeltes. Im Zentrum machten sie eine kleine, lieblos zusammengezimmerte Bühne aus, auf der ein Mann mit weiß geschminktem Gesicht ein Gebärdenspiel vorführte. Seine Bewegungen waren fließend, beinahe schlangenhaft, und es schien, als besäße sein Körper keine Knochen. Er war zu allerlei Verbiegungen fähig, die ein normaler Mensch nicht vollführen konnte, ohne sich dabei etwas zu brechen. Nur wenige Zuschauer hatten sich vor der Bühne eingefunden, der Applaus war äußerst verhalten.
    »Ein Pantomime? Dafür verlangen die solch horrende Eintrittspreise«, schimpfte Giffard und stemmte die Hände in die fleischigen Seiten.
    »Mir gefällt seine Kunst«, überraschten Beaumonts Worte nicht nur Giffard, sondern auch ihn selbst. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn irgendeine Attraktion mitreißen würde. Doch dem jungen Mann mit dem weißen Gesicht war es gelungen, ihn innerhalb weniger Sekunden in seinen Bann zu ziehen. Mit wellengleichen Bewegungen streckte er die Arme nach vorne aus und öffnete die Hände, als wollte er sein Publikum berühren. Federleicht sprang er dann in die Höhe und landete auf einem Bein, drehte sich um seine eigene Achse und knickste vor den Zuschauern, wie es sonst nur junge Mädchen vor hohen Herrschaften taten.
    »Du nennst dieses Gehopse Kunst?«
    »Ach, Giffard, du verstehst nicht, was er mit seinem Tanz ausdrücken möchte. Es ist die Freiheit, die Loslösung von höfischen Sitten. Ich finde ihn inspirierend. Er bringt mich auf eine Idee für ein neues Spiel, das meinen Kindern sicherlich gefallen wird.«
    »Deinen Kindern?«
    Ein Lächeln huschte über Beaumonts Lippen. »Ich spreche von meinen Schülern, die ich im Lesen und Schreiben unterrichte.«
    »Und demnächst wohl auch in der Kunst des Gebärdenspiels«, sagte Giffard und wandte den Kopf zur Seite. Durch einen Spalt in der Zeltwand erhaschte er einen Blick nach draußen. »Oh, là, là, sieh einmal dort hinüber.«
    Giffards schwulstiger Finger deutete auf zwei hübsche Frauen, die sich alle Mühe gaben, einen Jüngling in ihren Wagen zu locken. Sie tänzelten um ihn herum, ließen anzüglich ihre Hüften kreisen und rückten immer wieder ihre üppigen Dekolletés zurecht. Die Haut der Mädchen, von der sie weit mehr zeigten, als es sich ziemte, schimmerte in einem warmen Olivton, und das Klimpern der Goldplättchen, die ihre Gürtel zierten, war bis ins Innere des Zeltes zu hören.
    »Diese Tänzerinnen sind nicht zu verachten. Was würde mein italienischer Cousin Giovanni zu diesen kecken Frauenzimmern sagen? Mamma Mia!«
    »Giffard!«, stöhnte Beaumont. »Hast du denn immer nur das Eine im Kopf?«
    »Wir sind doch hier, um uns zu amüsieren, oder nicht?«
    »Ja. Aber dir tropft bereits der Speichel aus dem Mund.«
    »Ich bin eben ein Mann. Dir würde nebenbei bemerkt ein Weib an deiner Seite guttun, dann verlörest du vielleicht endlich diese elende üble Laune, die du mit dir herumträgst wie ein Geschwür.«
    Beaumonts Augen blitzten. Giffard merkte, dass er zu weit gegangen war, und senkte den Kopf. »Verzeih«, stammelte er. »Manchmal bin ich ein Trampeltier. Ich weiß, dass dir Yvonne fehlt, gleich wie viele Jahre seit ihrem Tod vergangen sind.«
    Beaumont atmete tief ein und blickte Giffard versöhnlich an. »Im Gegensatz zu mir hast du noch eine Frau, die dich liebt. Kümmere dich besser um sie, anstatt fremden Röcken nachzustarren.«
    »Du hast ja recht, nur diese Mädchen ... wären eine Sünde wert.«
    Giffard blickte erneut zum Wagen. Mit einiger Enttäuschung musste er jedoch feststellen, dass die aufreizenden Tänzerinnen verschwunden waren. Auch von dem Jüngling war nichts zu sehen.
    »Ich beneide den Jungen«, sagte Giffard schwermütig und wandte sich erneut der Bühne zu, vor der sich inzwischen einige Leute versammelt hatten. Der Pantomime zog ein weißes Tuch aus seinem Ärmel und winkte der Menge zu, bevor er sich mit einem Rückwärtssalto verabschiedete. Der Applaus fiel trotz des Zuwachses im Zuschauerbereich gering aus. Erst als zwei Männer die Bühne betraten, schwoll er merklich an. Der kleinere der beiden Gaukler grinste breit und offenbarte eine Reihe ungewöhnlich gepflegter Zähne, die
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