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Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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Lautsprechern fallen Klagelieder von Amy Winehouse.
    Das Möwe Sturzflug ist eine leicht angegammelte Schönheit, ein Ort, an dem sich Sankt Pauli manifestiert.
    Der Faller bestellt bei dem Mädchen mit den roten Rastazöpfen einen Apfelsaft für sich und ein Bier für mich. Wir sind durchs Karoviertel gelatscht, bis uns die Socken gequalmt haben, was bei dieser Kälte echt eine beachtliche Leistung ist. Wir haben jede einzelne kleine Gasse abgesucht, und nirgends haben wir jemanden gefunden, der mit uns geredet hätte. Also, mit uns geredet haben die Leute schon, aber: der Wolfsmann? Nie gesehen. Kennt keiner.
    Irgendwann konnten wir nicht mehr und sind im Möwe Sturzflug gelandet, in diesem dreieckigen alten Haus. Vielleicht ist es ja auch der merkwürdige Grundriss, der den Laden für Leute wie uns so interessant macht.
    Das rothaarige Mädchen schiebt unsere Getränke rüber, wir stoßen an und trinken. Der Faller schüttelt sich.
    »Bah, ist das Zeug kalt«, sagt er. »Ich hätte mir Kakao bestellen sollen.«
    »Kakao gibt’s hier nicht«, sagt das rothaarige Mädchen. »Ich könnte dir ’n Grog machen.«
    »Nee, nee«, sagt der Faller, »lass mal.«
    »Ich will aber nicht, dass hier jemand friert«, sagt sie. Sie greift über die Theke, nimmt dem Faller sein Glas aus der Hand und hält die Heißdüse von der Kaffeemaschine in den Apfelsaft. Dann stellt sie ihm das Glas wieder hin, steckt eine Stange Zimt rein und sagt:
    »Bitte schön, so geht’s bestimmt besser.«
    Der Faller kuckt, als hätte er sich verliebt. Ich könnte es ihm nicht verdenken. Das war sehr süß von dem rothaarigen Mädchen.
    Mein Telefon klingelt. Der Tschauner ist dran.
    »Was gibt’s?«, frage ich.
    »Wir haben die Telefone von Yannick und Angel geortet«, sagt er.
    »Wo kommt das Signal her?«, frage ich.
    »Sankt Pauli«, sagt er. »Annenstraße Ecke Clemens-Schultz-Straße.«
    »Da bin ich gerade«, sage ich.
    »Wie bitte?«
    »Kennen Sie das Möwe Sturzflug? «
    »Klar«, sagt er. »Aber unsere Vermissten sitzen ja wohl kaum gemütlich in der Kneipe, oder?«
    »Ich schau mich hier mal um«, sage ich. »Bleiben Sie dran?«
    »Natürlich, Chef.«
    Ich nehme mein Telefon vom Ohr und drehe eine Runde durch die Bar. Hier ist niemand unter dreißig. Ich halte mir das Telefon wieder ans Ohr.
    »Tschauner?«
    »Yo.«
    »Was macht das Signal?«
    »Es entfernt sich«, sagt er, »ist jetzt in der Clemens-Schultz-Straße, fast schon an der Hein-Hoyer-Straße.«
    »Schicken Sie sofort ein paar Leute hin.«
    »Die sind schon unterwegs«, sagt er.
    »Gut«, sage ich. »Ich versuche rauszufinden, wo die hier gesteckt haben. Ich ruf Sie gleich wieder an.«
    Der Faller kuckt verknittert.
    »Nee, oder?«
    »Doch«, sage ich. »Die waren hier.«
    »Und jetzt leben sie und sind wieder frei?«
    »Keine Ahnung«, sage ich. »Die Kollegen verfolgen das Telefonsignal der beiden.«
    Ich hab Hummeln im Bauch, einen ganzen Schwarm. Ich heb gleich ab. Das rothaarige Mädchen sieht mich an.
    »Wen sucht ihr?«, fragt sie.
    »Zwei Jugendliche, die seit ein paar Tagen verschwunden sind«, sage ich. »Sieht so aus, als wären sie vor ein paar Minuten noch irgendwo hier im Haus gewesen. Kennst du die Wohnungen?« Ich zeige mit dem Finger an die Decke.
    Sie nickt.
    »Direkt obendrüber wohnt unser Chef«, sagt sie. »Darüber seine Freundin. Und ganz oben wohne ich.«
    Ich kann mir nicht helfen: Sie sieht mich an, als wüsste sie was.
    »Gibt’s hier einen Keller?«, frage ich.
    »Ja, klar«, sagt sie, »den haben die Bullen vor ein paar Tagen auch durchsucht, wie alle Keller hier in der Ecke.« Sie sieht zu Boden. »Ich wusste nicht, dass die ein paar junge Leute suchen. Ich dachte, das wäre so ’ne Art Razzia.« Sie wirkt zerknirscht.
    »Gibt es einen Keller, den die Polizisten nicht gesehen haben?«
    Sie macht eine kleine Schublade hinter der Theke auf, in der jede Menge Zettel, Gummibänder und Flaschenöffner liegen. Sie zieht einen Schlüssel an einem schwarzen Band mit Totenköpfen raus.
    »Kommt mal mit.«
    Sie geht zur Tür, der Faller und ich folgen ihr. Sie geht rechts ums Eck, in die Clemens-Schultz-Straße rein. Vor einem verschnörkelten schmiedeeisernen Gitter bleibt sie stehen. Das Gitter ist aus den Angeln gehoben, die dahinter liegende Tür ist nur angelehnt.
    »Oh«, sagt sie.
    »Was ist?«, frage ich.
    Dem Faller ist kalt. Er tritt von einem Fuß auf den anderen. Ich bin froh, dass er da ist.
    »Er lässt die Tür sonst nie auf«, sagt
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