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Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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Gefühl zu benennen, das er bei dem Gedanken gehabt hatte, diese Nacht nicht alleine zu verbringen.

    Angel war als Erste wach. Es war dunkel im Keller, kein Hauch von Licht in der Luft, aber es musste gegen Morgen sein, denn sie war nicht mehr müde, und sie hatte Hunger. Sie lauschte in die Dunkelheit. Der Wolfsmann schnarchte ein bisschen, aber nur ganz leise. Ihr taten die Arme weh. Sie ruckelte ein bisschen an dem Seil, mit dem sie an die Säule gebunden war, und spürte, dass es lockerer saß als vor dem Einschlafen. Sie konnte ihre Arme sogar ein Stückchen nach vorne schieben. Von ihrem Ruckeln wachte Yannick auf.
    »Sind wir tot?«
    »Nein«, sagte Angel, »wir sind nicht tot.«
    »Mir tun die Arme weh«, sagte Yannick.
    »Mir auch«, sagte Angel. »Könnte aber schlimmer sein.«
    »Wo ist der Penner?«
    »Der Penner würde gerne noch schlafen«, knurrte der Wolfsmann von hinten. »Aber bei eurem Gequatsche geht das ja nicht.«
    Sie hörten, wie er sich seine Wolldecke vom Leib schob und zum Lichtschalter schlurfte. Klack. Die Glühbirnen fingen an zu glimmen. Der Wolfsmann schlurfte zurück in seine Ecke, holte die Thermoskanne und schlurfte zu Yannick und Angel. Er setzte sich vor die beiden auf den Boden, öffnete die Kanne, goss die immer noch warme Flüssigkeit in den abgeschraubten Deckel und fragte:
    »Tee?«
    Angel nickte. Yannick starrte ihn an.
    Der Wolfsmann setzte Angel den Becher an die Lippen und ließ sie trinken. Dann hielt er den Becher auch Yannick hin. Yannick schüttelte den Kopf.
    »Keine Angst«, sagte der Wolfsmann. »Da ist kein Gift drin. Keine K.-o.-Tropfen.«
    Yannick stieg eine plötzliche Hitze ins Gesicht. Er hätte dem Penner seinen blöden Becher am liebsten aus der Hand getreten, direkt ins Gesicht, das Gesicht verbrannt, fertigmachen würde er ihn. Aber Snake Plissken war und blieb verschollen.
    »Na, komm schon«, sagte der Wolfsmann. »Nimm einen Schluck.«
    Er setzte ihm den Becher an den Mund, und Yannick hätte nicht gedacht, wie gut es tun könnte, warmen Pfefferminztee zu trinken.
    »Also«, sagte der Wolfsmann, nachdem er auch getrunken hatte. »Jetzt müssen wir überlegen, was wir heute machen.«
    Haha, dachte Yannick, machen, so ein Schwachsinn, der stinkende Idiot hat uns hier festgebunden, was sollen wir schon machen. Angel musste tatsächlich ein bisschen grinsen.
    So begann der erste Tag. Das dunkle, kalte, langsame Leben im Keller.
    Es war der erste Weihnachtstag. Oben saßen die Leute in ihren Wohnzimmern. Kuschelten sich in ihre Couchgarnituren. Überlegten, welche Geschenke sie umtauschen sollten und welche nicht. Hier unten spielte das alles keine Rolle. Hier unten war nichts außer ihnen dreien. Sie saßen einfach nur rum, mit ein bisschen Licht an. Sie redeten nicht, schauten sich nur hin und wieder an.
    Als Angel mal musste, band der Wolfsmann sie los und brachte sie in eine Ecke ganz am Ende des Kellers. Hinter eine Mauer. Da ging eine Treppe nach oben, aber da oben war eine Betondecke. Am unteren Ende der Treppe stand ein Eimer, der Boden war herausgeschnitten, und darunter war ein Loch im Keller. Der Wolfsmann wusste nicht, wohin das Loch führte, aber er war ein pragmatischer Mensch, und so hatte er sich aus dem Loch und dem Eimer eine Toilette gebaut.
    Irgendwann musste Yannick auch mal, und wenn er sich nicht in die Hose machen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich vom Wolfsmann zur Toilette bringen zu lassen.
    Gegen Mittag zog der Wolfsmann die Fesseln wieder fester, machte das Licht aus und ging. Vielleicht eine Stunde später kam er zurück. Er hatte gebratenen Reis mit Gemüse dabei, zwei Portionen. Die Kellner des asiatischen Restaurants im Schanzenviertel gaben mittags Essen an Obdachlose aus, er hatte ihnen eine zusätzliche Portion abgeschwatzt, angeblich für einen kranken Freund.
    Schmeckte ganz gut.
    Als es Zeit zum Schlafen war, fragte Angel den Wolfsmann, ob er ein Licht anlassen könnte. Es sei ihr zu dunkel. Der Wolfsmann brummte. Dann holte er eine Leiter und schraubte aus allen Fassungen die Glühbirnen raus, bis auf eine. Es war schummrig im Keller, dunkelgolden. Das Licht war jetzt so ähnlich wie in der Bar, die genau obendrüber lag, aber davon wussten Angel und Yannick nichts.
    Der Wolfsmann dachte darüber nach, wie man die verdammte Bude mal ein bisschen wärmer kriegen könnte.
    Und Yannick war Angel so dankbar für die Sache mit dem Licht, dass er schon wieder fast geheult hätte.

    Am zweiten Tag gab es
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