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Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Titel: Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
Autoren: Karen Rose
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auf, Cornflakes in ein Schälchen zu schütten, und blickte grinsend über die Schulter zurück. »Starke Worte benutzt die Dame heute Morgen.«
    Caroline erwiderte ihr Grinsen. »Na gut, ich hasse sie. Sie ist ein gemeines Luder. Zufrieden?«
    Danas heiseres Lachen erfüllte die Küche. »Ja. Die reine Wahrheit reicht mir.«
    Caroline warf einen viel sagenden Blick auf Danas gefülltes Cornflakes-Schälchen. »Ich dachte, du willst kein Frühstück.«
    »Ich habe nur gesagt, dass ich keinen Kaffee will. Ich komme um vor Hunger. Meine Schränke sind leer.«
    »Da-na.« Caroline seufzte. Sie setzten sich an den Tisch.
    »Was?«
    »Du hast alles den Kindern gegeben, nicht wahr?« Im Grunde war das keine Frage, sondern eine Feststellung.
    Dana hob kampflustig das Kinn. »Ja.« Dann ließ sie die Schultern sinken. »Wir haben gestern eine neue Familie reingekriegt. Aus Toledo. Sie waren halb verhungert, Caro, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Mutter war so zugerichtet, dass ihr Gesicht nicht mal mehr zu erahnen war. Ihr Rücken …« Sie schauderte. »Es geht mir immer noch an die Nieren, nach all den Jahren.«
    »Weil du ein Mensch bist. Wäre es nicht so, könntest du in deinem Beruf nicht so großartig sein, wie du es bist.«
    Und Danas Beruf, dachte Caroline, besteht darin, Leben zu retten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Dana führte Hanover House, eine Zuflucht für misshandelte Frauen und ihre Kinder. Hanover House bot Sicherheit und medizinische Betreuung, falls nötig – und meistens war sie dringend notwendig. Doch das Beste war, dass Hanover House Hoffnung und die Aussicht auf einen Neubeginn bot. Caroline wusste nicht genau, woher Dana neue Versicherungskarten und Geburtsurkunden bekam, und sie hatte sie nie danach gefragt. Sie war so dankbar gewesen, als sie die Urkunde mit dem neuen Namen ihres Sohnes in den Händen hielt, dass sie hatte weinen müssen. An diesen Augenblick erinnerte sie sich, als wäre es gestern gewesen und nicht vor sieben Jahren. Tom Stewart. Geboren im Rush Memorial Krankenhaus in Chicago, Illinois. Vater unbekannt. Der Nachname entsprach dem auf der Geburtsurkunde, die sie für sich selbst … entliehen hatte. Caroline Stewart. Es gab sogar Tage, an denen sie eine oder zwei Stunden lang nicht daran dachte, wer sie in Wirklichkeit war. Woher sie wirklich kam. An denen Mary Grace Winters nichts weiter als ein Albtraum war. An denen Mary Grace Winters nicht mehr existierte.
    Caroline Stewart war ihre Zukunft. Und Caroline hatte die feste Absicht, das Beste daraus zu machen.
    »Caroline?« Dana klimperte mit ihrem Löffel an den Rand des Schälchens.
    Caroline seufzte. »Ich dachte nur gerade an meine eigenen Erfahrungen in Hanover House.« Über den Tisch hinweg drückte sie Danas Hand, sah die dunklen Ringe unter den braunen Augen ihrer Freundin, die ihr vorher nicht aufgefallen waren. »Und an meine Erlebnisse mit dir. Aber was ist mit dir, Dana? Geht es dir gut? Du siehst so müde aus.«
    »Wenn ich ein paar Stunden geschlafen habe, geht es mir wieder gut. Ich bin von Hanover House aus direkt zu dir gekommen. Eines der neuen Kinder aus Toledo hat Streptokokken, und …«
    »Und du hast die ganze Nacht bei ihm gesessen.«
    »Er ist erst drei Jahre alt und schrecklich verstört.« Danas braune Augen füllten sich mit Tränen, was bei ihr nicht oft zu beobachten war. »Scheiße, Caroline. Der Kleine hat Narben. Schlimmer noch als die Mutter. Ich hatte ihn im Arm, weil er nicht im Bett liegen mochte. Sein Rücken war ein einziger blau-schwarzer Bluterguss. Sobald ich ihn berührte, hat er geschrien. Sein Vater …« Jetzt liefen ihr Tränen über die Wangen. »Sein Vater hat ihn mit Zigaretten verbrannt. An den Füßen, verdammte Scheiße!« Sie erstickte ein Schluchzen und schob die halb leere Schüssel mit Cornflakes von sich.
    Caroline drückte mit einer Hand Danas zusammengeballte Finger, die andere glitt seitlich an ihrem Hals hinauf und berührte ihre eigenen Narben. Make-up und Kragen verbargen sie vor den Augen anderer, doch für sie waren sie immer gegenwärtig. Vor ihrem inneren Auge sah sie sie wie damals, als sie noch frisch waren, und sie fühlte noch immer die lähmende Angst, roch noch immer den stechenden Geruch von verbranntem Fleisch.
    »Die Narben an den Füßen werden heilen, Dana. Du musst dich darauf konzentrieren, die Verletzungen der Seele zu kurieren.«
    Dana schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich das noch kann, Caroline. Ich bin so müde.«
    Caroline
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