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Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)

Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)

Titel: Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
Autoren: Nicci French
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Doyce?«
    Sie sah ihn an, antwortete jedoch nicht. Ihre Augen wirkten auffallend hell, fast wie die einer Blinden.
    »Ich bin Detective Inspector Malcolm Karlsson.« Er wartete. Sie blinzelte nur. »Von der Polizei«, fügte er hinzu.
    »Haben Sie einen weiten Weg hinter sich?«
    »Nein, aber ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    »Ich habe einen sehr weiten Weg hinter mir. Fragen Sie ruhig.«
    »Es ist wichtig.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Der Mann in Ihrer Wohnung …«
    »Ich habe ihn bewirtet.«
    »Er ist tot, Michelle.«
    »Ich habe ihm die Zähne geputzt. Ich kenne nicht viele Leute, die das für ihre Gäste tun. Dafür hat er für mich gesungen. Sein Lied erinnerte mich an die Geräusche des Flusses in der Nacht, wenn der Hund zu bellen aufgehört hat und niemand mehr weint.«
    »Michelle, er ist tot. Der Mann in Ihrer Wohnung ist tot. Wir müssen herausfinden, wie er gestorben ist. Können Sie mir seinen Namen sagen?«
    »Seinen Namen?«
    »Ja. Wer er ist. Oder war.«
    Sie starrte ihn verwirrt an.
    »Warum wollen Sie von mir seinen Namen wissen? Sie können ihn doch selbst fragen.«
    »Michelle, es handelt sich hier um eine ernste Angelegenheit. Wer ist er?«
    Sie starrte ihn an: eine kräftig gebaute, blasse Frau mit unheimlichen Augen und geröteten Händen, die sie mit vagen Gesten durch die Luft gleiten ließ, wenn sie sprach.
    »Ist er in Ihrer Wohnung gestorben, Michelle? War es ein Unfall?«
    »Bei einem von Ihren Zähnen fehlt ein Stück. Ich mag Zähne, müssen Sie wissen. Ich habe alle meine alten Zähne unter dem Kopfkissen, nur für den Fall, dass sie kommen, und zusätzlich auch noch ein paar von anderen Leuten, aber nicht viele. Man findet nur ganz selten welche.«
    »Verstehen Sie, was ich Sie frage?«
    »Will er mich verlassen?«
    »Er ist tot.« Am liebsten hätte Karlsson das letzte Wort laut herausgeschrien, um damit wie mit einem Stein ihre Verständnislosigkeit zu zerschmettern, riss sich aber am Riemen.
    »Am Ende gehen sie alle. Obwohl ich mir solche Mühe gebe.«
    »Wie ist er gestorben?«
    Sie begann Worte vor sich hin zu murmeln, die er nicht verstand.
    Chris Munster verschaffte sich einen ersten Eindruck vom Rest des Hauses. Das Ganze widerte ihn an. Es kam ihm überhaupt nicht vor wie eine polizeiliche Ermittlung. Hier ging es um Leute, für die keine Hoffnung mehr bestand, weil sie längst durchs Raster gerutscht waren. Der Raum im ersten Stock, den er gerade inspizierte, war voller Spritzen: Hunderten, nein Tausenden benutzter Spritzen, die alle auf dem Boden herumlagen, so dass er sich zunächst fragte, ob sie vielleicht irgendein Muster ergaben. Außerdem stieß er auch hier auf Hundescheiße, die aber größtenteils alt und schon ganz hart war. Das Mobiliar beschränkte sich auf eine dünne Matratze, die im mittleren Bereich scheußliche Flecken aufwies. Im Moment war es ihm völlig egal, wer den Mann unten umgebracht hatte, er wollte nur sämtliche Leute aus dem Haus schaffen, die Hütte anzünden und selbst das Weite suchen. Er sehnte sich nach sauberer Luft, je kälter, desto besser. Er fühlte sich schmutzig, und zwar äußerlich und innerlich. Wie konnten Menschen nur so leben? Der fette Kerl mit den rot geäderten Augen und der aschfahlen Haut eines Säufers, der kaum noch in der Lage war zu sprechen und sichtlich Schwierigkeiten hatte, mit seinen kleinen Füßen das Gewicht seines massigen Körpers zu balancieren. Oder der Dürre mit dem Hund, der ganz zerstochene Arme und ein schorfiges Gesicht hatte und sich ständig kratzte, während er nervös grinsend auf und ab tigerte. War das sein Zimmer? Handelte es sich um seine Spritzen? Oder womöglich um die des toten Mannes? Das war vermutlich des Rätsels Lösung. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde sich herausstellen, dass der Tote ebenfalls ein Mitglied dieses Höllenhaushalts gewesen war. Oder gar der gottverdammte Hausherr. Man hatte diese Menschen einfach in dieses Loch gesteckt – hoffnungslose Außenseiter, mit denen die Gesellschaft nichts anzufangen wusste und für die sie auch kein Geld übrig hatte – und sie dort ihrem Schicksal überlassen. Nun musste die Polizei den Dreck wegräumen. Wenn die Öffentlichkeit das wüsste, dachte er, während er mit seinen schweren Stiefeln zwischen den Spritzen herumrutschte. Wenn die Leute wüssten, wie manche Menschen lebten, und wie sie starben.

4
    K arlsson war unterwegs zur Fallbesprechung, als er auf dem Flur seinem Chef über den Weg lief, Polizeipräsident
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