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Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)
Autoren: Arnaldur Indriðason
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der Lammpastete, von der Erlendur annahm, dass Bóas sie selbst gemacht hatte. Sie schmeckte köstlich zum Brot. Er selbst hatte keinen Proviant dabei. Eigentlich wusste er noch nicht einmal genau, wieso er der unerwarteten Einladung des Fuchsjägers, ihn zu begleiten, gefolgt war. Vielleicht verspürte er einfach ein gewisses Bedürfnis nach Gesellschaft, denn er hatte seit Tagen keinen anderen Menschen gesehen, und es kam ihm so vor, als sei das auch bei Bóas der Fall.
    »Und was machst du so in Reykjavík?«, fragte Bóas.
    Erlendur zögerte.
    »Verdammt, warum bin ich nur immer so neugierig«, sagte der Bauer sofort.
    »Nein, ist schon in Ordnung«, erwiderte Erlendur. »Ich bin bei der Polizei.«
    »Das klingt nicht gerade nach einer Arbeit, die Spaß macht.«
    »Nein. Oder doch, manchmal.«
    Sie setzten ihre Wanderung fort, und Erlendur gab sich Mühe, im Heidekraut nicht zu fest aufzutreten. Ab und zu bückte er sich und strich mit der Hand über die niedrige Vegetation. Er überlegte, ob er den Namen Bóas aus seiner Jugend kannte, doch er konnte sich nicht darauf besinnen. Es war natürlich kein Wunder, dass er sich nicht an die Namen der Menschen aus der Gegend erinnerte, schließlich hatte er nur kurze Zeit hier gelebt. Gewehre waren ein seltener Anblick in seinem Elternhaus gewesen. Doch er erinnerte sich dunkel daran, dass tatsächlich einmal ein Mann mit einer Flinte zu Besuch gekommen war. Er hatte mit seinem Vater gesprochen und dabei flussabwärts gedeutet. Er erinnerte sich auch an einen Onkel mütterlicherseits, der einen Jeep besessen und Rentiere gejagt hatte. Er führte Jäger aus Reykjavík zu den Gebieten, wo sich die Tiere aufhielten, und versorgte die Familie hin und wieder mit Rentierfleisch. Es wurde in der Pfanne gebraten und schmeckte gut. An einen Fuchsjäger konnte er sich aber nicht erinnern, und auch nicht an einen Bauern namens Bóas, denn alle Verbindungen zu seiner Heimat brachen ab, nachdem die Familie weggezogen war.
    »In Fuchsbauen kann man die unglaublichsten Dinge finden«, erklärte Bóas, der nun wieder unverdrossen ausschritt. »Zu fressen haben sie immer genug. Manchmal wagen sie sich sogar bis runter zum Strand und sammeln dort tote Vögel, Muscheln und Krebse auf. Die Welpen ernähren sich von Krähenbeeren und der ein oder anderen Waldmaus. Mit etwas Glück findet der Fuchs auch ein totes Schaf oder ein Lamm. Und es gibt eben auch immer wieder welche, die sich auf lebende Tiere verlegen. Dann ist es aus mit dem Frieden, und Bóas muss den Übeltäter finden und töten, auch wenn ihm das kein Vergnügen bereitet.«
    Da Erlendur nicht wusste, ob der Bauer jetzt einfach nur laut dachte, beschloss er, zu schweigen. Sie gingen weiter über weiches Beerengesträuch, in das sie tief einsanken. Er trat in die Fußstapfen des Jägers und genoss die feuchte Kühle im Gesicht. Er kannte sich zwar in den Bergen aus, verließ sich aber bei diesem Weg voll und ganz auf den Jäger. Deshalb wusste er nun nicht mehr genau, wo sie sich befanden. Der Bauer marschierte sicher und unbeirrt voran. Er redete viel, und es schien ihm gleichgültig zu sein, ob sein Begleiter ihm folgen konnte oder nicht.
    »Hier hat sich natürlich einiges verändert durch die Bauarbeiten«, sagte er, hielt an und zog ein Fernglas aus dem Lederbeutel. »Die Natur hat sich verändert. Das schlaue Füchslein hat das natürlich auch spitzgekriegt. Vielleicht traut er sich wegen der Fabriken und dem ganzen Schiffsverkehr nicht mehr runter zum Strand. Wer weiß das schon? Jetzt sind wir bald da.« Dann steckte er das Fernglas wieder in die Tasche.
    »Ich habe die Baustelle gesehen, wo die Aluminiumhütte entsteht«, sagte Erlendur.
    »Dieses Monstrum!«, schnaubte Bóas.
    »Ich war auch oben im Hochland beim Staudamm, ich hab noch nie so ein riesiges Bauwerk gesehen.«
    Er hörte, wie sich Bóas griesgrämig etwas in den Bart murmelte, während er weiter bergan stapfte. Dass die das zugelassen haben, glaubte Erlendur zu verstehen, aber er war sich nicht sicher. Er blieb Bóas auf den Fersen und musste darüber nachdenken, wie es geschehen konnte, dass ein derart riesiges Aluminiumwerk in Reyðarfjörður errichtet wurde. Er dachte an die überdimensionalen Frachter, die mit den Baumaterialien für das Kraftwerk und die Industrieanlage am Kai von Reyðarfjörður anlegten. Es war ihm vollkommen unbegreiflich, wie eine skrupellose Firma im fernen Amerika es geschafft hatte, einen friedlichen isländischen Fjord und
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