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Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Titel: Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman
Autoren: Helmut Krausser
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den Boden und sah sich gezwungen, die damit erschaffene
Realiät als solche zu akzeptieren.
    Johnny trug die schlafende Sonja auf seinen Schultern zur
Wohnung der Pfennigs und klingelte. Es war noch recht früh, kurz vor sieben,
und beide, Robert und Maschjonka schliefen. Als sie vom dritten Klingeln
erwachten und auf den Wecker sahen, wußten sie sofort, daß etwas Ungewöhnliches
bevorstand, beide dachten dasselbe, daß draußen die Polizei stand, daß man
Sonjas Leiche gefunden hatte. Mascha warf ein Nachthemd über und rannte durch
den Flur, riß die Tür auf, ohne sich die Zeit zu nehmen, durch den Spion zu
sehen. Draußen stand Johnny, er hielt die tote Sonja in den Armen und bat die
Mutter, sie solle sie ihm doch bitte abnehmen, sie werde langsam zu schwer.
Maschjonka fiel in Ohnmacht. Robert konnte sie gerade noch auffangen, bevor ihr
Kopf auf den Fußboden aufschlug. Er starrte Johnny an. Starrte Sonja an. Warum
lächelte Johnny?
    Dann endlich begriff Robert, daß seine Tochter lebte, er ließ Mascha
fallen und nahm aus den Armen des Jungen seine schlafende Tochter entgegen.
Mascha kam nach wenigen Sekunden wieder zu sich. Sie schien verwirrt und weinte
und schrie vor Glück, preßte das Kind an sich, riß es aus Roberts Armen, herzte
es, küßte es, dann sah sie, mit einem furchterregenden Blick, voller Ekel und
Wut, von schräg unten zu dem Jungen hoch. » DU hast sie die ganze Zeit gehabt?«
    Robert zückte sein Handy und rief den Kommissar an. Johnny hatte
sich ein wenig Dank erwartet, was er nun als weltliche Eitelkeit begriff und
bereute. Was ihm aber vorgeworfen wurde, begriff er nicht so schnell. Er wollte
gehen und eine Kirche suchen, um beim Schein einer Kerze zu beten und Gott zu
danken, aber Robert hielt ihn (»S CHÖN DAGEBLIEBEN! «)
am Arm fest, zerrte ihn in die Wohnung, dort drehte er ihm den Arm auf den
Rücken und drückte Johnny zu Boden. Robert war kräftig, und Johnny zu gutmütig,
um sich zu wehren.
    Swentja und Mahmud standen auf der Straße und
beratschlagten, was sie jetzt machen sollten. Mahmud überlegte ernsthaft,
Swentja seinem Bruder Faisal vorzustellen, aber so weit langte sein Mut noch
nicht. Das mußte erst vorbereitet werden.
    »Gehn wir zu mir«, schlug Swentja vor, »meine Alten werden froh
sein, mich wieder mal vor die Linse zu bekommen.«
    Als sie gegen halb acht an der Wohnung ankamen, stand ein
Polizeiwagen davor und die Haustür offen. Eben trat Kommissar Nabel heraus, mit
Johnny. In Handschellen.
    »Was soll das denn?« fragte Swentja den Kriminaler, der aber ließ
sich auf keine Diskussion ein und teilte ihr nur mit, daß ihre Schwester vor
einer Stunde wohlbehalten gefunden worden sei.
    Plötzlich stand Mascha an der Tür und brüllte, während Johnny auf
der Hinterbank des Polizeiwagens Platz nahm, er solle verrecken und sie werde
selbst dafür sorgen, wenn sich herausstellte, daß er Sonja etwas angetan habe.
    Swentja kapierte nicht. »Was soll Johnny denn damit zu tun haben?«
    »Dein übergeschnappter Freund ist es gewesen! Dieser Irre, den DU angeschleppt hast!«
    »Johnny? Aber der war doch bei mir, als Sonja verschwand!«
    Mascha dachte über den Einwand kurz nach. »Na klar! Er hat dich
abgelenkt und einer seiner Kumpels von dieser alttestamentarischen Sekte hat
mein Kind verschleppt!«
    »Das glaub ich einfach nicht.«
    »Weißt du, was dieser Irre behauptet? Er hat nachts auf dem Berg den
Propheten Jesaja getroffen, der hat ihn zu Sonja geführt! Such dir nächstens
deine Bekanntschaften besser aus!« Mit einem Seitenblick nahm sie Mahmuds
Anwesenheit wahr, wie man einen schmutzigen Fleck auf einem Teppich erkennt, zu
dessen Reinigung grad keine Zeit ist.
    Swentja lief nun ins Innere der Wohnung, um einen Blick auf ihre
kleine Schwester zu werfen, die immer noch schlief.
    »Man muß ihr ein starkes Betäubungsmittel gegeben haben«, meinte der
Notarzt, der sie gerade abhorchte. »Ansonsten ist sie okay.«
    »Überall?« fragte Mascha, und ihre sich überschlagende Stimme klang
schrill und brüchig.
    »Soweit ich auf Anhieb sehen kann, ja.«
    Mahmud stand, die Hände in den Hosentaschen, eine Weile vor der Tür
und wußte nicht, wohin mit sich. Aber diese Familie hatte gerade keine
Verwendung für ihn, soviel stand fest. Er würde erst mal nach Hause fahren und
mit Faisal reden, dann frühstücken, dann mit seinen Eltern reden, besser wäre
vielleicht, Faisal würde das übernehmen, falls er ihn auf seine Seite ziehen
konnte.
    »Dieser Kanake da
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