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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen
Autoren: H Nesser
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in die Arme. Wir standen auf dem Bürgersteig, und er fing sie auf. Dann wurden sie ein Paar. Ich fand das immer so wunderschön. Wie das Schicksal eingreifen kann, meine ich. Was mich betrifft, so war ich nie verheiratet.«
    Er verstummte. Barbarotti spürte plötzlich, wie sich etwas in ihm zusammenzog, er hoffte, dass Backman sinnvolle Worte finden würde, doch auch aus dieser Richtung kam nichts.
    »Nun ja, ich mach mich dann mal auf den Weg«, beendete Helge Markström seine Rede. »Vielen Dank für das Gespräch, es ist schön zu wissen, dass Rickard gute Freunde hatte.«
    Er schüttelte ihnen noch einmal die Hand, nickte ihnen zum Abschied zu und ging zum Parkplatz hinüber. Backman und Barbarotti blieben stehen und schauten ihm nach, bis er in sein Auto gestiegen war, einen weißen Saab, der mindestens zwanzig Jahre auf dem Buckel hatte.
    »Sag nichts«, sagte Eva Backman, »ich glaube, ich habe genug davon.«
    Barbarotti erschauerte und dachte, dass er sich ungefähr
genauso fühlte.
    Und dass er zusehen musste, möglichst bald ein ernstes Gespräch mit dem Herrgott zu führen.
    Marianne schlief. Sie lagen Seite an Seite, und er fand, sie war leicht wie eine Feder in seinem Schoß.
    Und schwer wie ein Leben. Federschwer. Lebensleicht. Es war weit nach Mitternacht, und der erste Schnee des Jahres trieb vor dem Schlafzimmerfenster dahin. Sie hatten nicht miteinander geschlafen, nur fast. Dazu war es noch nicht die richtige Zeit.
    Jetzt war die Zeit der Zuversicht. Der Todesfall draußen in der Gåsaklyftan war abgeschlossen. Der Fall Grooth eingestellt.
    Er spürte einen merkwürdigen Zwiespalt diesem Wort gegenüber. Eingestellt. Es war schön, einen Punkt zu setzen. Wenn man ans Ende eines Buches gekommen war zum Beispiel. Oder ans Ende eines Lebens. Wie Rickard Berg-
lund.
    Schön, aber nicht immer richtig. Was immer mit richtig gemeint sein sollte.
    Meine Geliebte liegt wie eine nackte Feder in meinem Schoß, dachte er. Sie lebt. Sie hat überlebt, und alle unsere Kinder leben auch. Hier liegen wir unter einem Dach, während draußen der erste Schneesturm des Jahres tobt. Alle, sogar Sara. Sicherer kann niemand sein.
    Aber ich werde von den Berglunds träumen. Anna und Rickard. Eingestellt oder nicht.
    Und auch von Germund Grooth und Maria Winckler. Vor allem von ihr, wer diese Person war, die sich an einem Abend in einer rumänischen Stadt opferte und in der Blüte ihrer Jugend starb.
    Eingestellt?
    Ja, das und noch mehr würde ihn sicher die Nacht hindurch verfolgen. Wie auch die Worte von Philip Larkin. Most things may never happen: this one will.
    Aber so ist es nun einmal, dachte er und drückte sich enger an Marianne. Der gewundene Pfad in die Landschaft der Zuversicht.

    Epilog, September 1958

    U nd dann saß er am Küchentisch. Die Schachtel mit den Pastillen in der rechten Tasche seiner Strickjacke. Der Entschluss ruhte in seinem Kopf, er fühlte sich immer noch wie eine warme Kugel an. Er war allein am Tisch.
    Aber in nur wenigen Minuten würden die anderen auch hier sitzen. Vater, Mutter und Vivianne. Mutter war dabei, den Tisch zu decken. Vaters Platz war bereits gedeckt, und die beiden Tabletten lagen wie üblich auf dem Teller neben der Teetasse. Es gab nicht mehr viel Zeit zu zögern. Wenn es geschehen sollte, dann jetzt.
    Er spürte, wie die Erregung in seinen Schläfen pochte. In die Arme und Finger kroch. Jetzt, dachte er, jetzt muss ich es
tun.
    Die Sonne warf ein paar scharfe Morgenstrahlen zwischen den Jalousierippen vor dem Fenster zur Straße hin herein. Sie stachen ihm ins Auge. Es war wie eine Ermahnung – beeil dich! Er schob die Hand in die Tasche, den Zeigefinger um die Schachtel gekrümmt. Kontrollierte, dass die Mutter ihm den Rücken zudrehte, und dann! In der nächsten Sekunde hatte er es getan.
    Die Tabletten vertauscht. Vaters lagen in der Pastillenschachtel, zwei Tabletten lagen auf seinem Teller. Und kein Mensch auf der Welt konnte den Unterschied sehen.
    Es war getan. Die einfachste Sache der Welt. Die Rache ist mein, dachte er. So hieß es doch, in einem der Indianerbücher, die er von Benke geliehen hatte. Die Rache ist mein.
    Sie wollten im Laufe des Vormittags losfahren. Wenn er von der Schule nach Hause kam, würde Tante Hjördis ihn empfangen. Vater, Mutter und Vivianne würden dann bereits am Rödtjärn angekommen sein. Vier Tage wollten sie dort bleiben. Vater würde wie üblich arbeiten, Mutter und Vivianne würden mit den Hunden spazieren gehen, mit dem Boot
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